Schulden machen Sieger
Von André DahlmeyerDreißig Jahre Leiden haben ein Ende. Am Sonnabend gewann der Fußballklub Botafogo FR aus Rio de Janeiro nicht nur wieder einen wichtigen Titel, sondern gleich die 65. Edition der Copa Libertadores. Die südamerikanische Königsklasse gewannen sie zudem zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte. Noch 2021 hatte der Verein, der für die brasilianische Seleção historisch die meisten Kicker zu Balltretweltmeisterschaften abstellte, zum dritten Mal eine Ehrenrunde in der Série B gedreht, dann wurde die Fußballabteilung ausgelagert und in eine Aktiengesellschaft verwandelt, an der die Eagle Football Holdings des US-amerikanischen Geschäftsmanns John Textor 90 Prozent der Anteile hält. Wieder mal hat sich bewiesen, dass im Fußball das gute alte Scheckheft Campeonate gewinnen kann.
Das soll die Leistung des Teams der Cariocas nicht schmälern, sportlich gesehen geht der Libertadores-Triumph völlig in Ordnung. Das in dieser Sportart fast immer notwendige Glück hatten sie, es hätte sich auch als garstiges Pech aufmandeln können, und das kennen die Fans des Vereins aus den letzten Dekaden mehr als gut genug. Doch seit der ehemalige Präsident Brasiliens, der Faschist Jair Messias Bolsonaro, die Sportvereine der größten Wirtschaft des Subkontinents zum Verramschen freigegeben hat, haben die Brasuca-Klubs die Herrschaft in Südamerika errungen. Die letzten sechs Copa Libertadores gingen mittlerweile alle nach Brasilien, das aktuelle Finale war das vierte rein brasilianische in den letzten fünf Jahren. Wenn Glück und Pech sich wieder einpegeln, kann sich das kurzfristig mal ändern, mittelfristig eher nicht. Die Topklubs Brasiliens wirtschaften mittlerweile wie Real Madrid – Schulden machen ist alles, der Name ist Verkaufsschlager und also Ware. Das geht so lange gut, solange es gut geht.
Nebenbei, gespielt wurde im größten Stadion Südamerikas, dem Mâs Monumental von Rekordmeister River Plate in Buenos Aires, das seit vergangenem Jahr ein Fassungsvermögen für 84.567 Zuschauer hat. Den meisten argentinischen Fußballfans war es völlig wurscht, dass im Finale nur Brasilianer standen. Aber: Hätten die sich nicht zu ihrem Stelldichein irgendwo anders auf dieser verdammten Kartoffel treffen können? Warum wurde das Match nicht kurzerhand nach Brasília oder Honolulu verlegt? Dass in Bananenrepubliken wie Argentinien alles möglich ist, hatte man doch 2018 gesehen, als das Rückspiel der Libertadores – das letzte Rückspiel in der Geschichte, seit 2019 gibt es nur noch ein Finale auf neutralem Terrain – vom Stadion River Plates ins Santiago Bernabéu von Real Madrid verlegt wurde, wegen eines Angriffs auf den Mannschaftsbus der Boca Juniors bei der Anfahrt aufs Stadiongelände. Der argentinische Superclásico wurde im Tempel der Hauptstadt der ehemaligen Konquistadoren gespielt. Es war ein Deal zwischen dem damaligen argentinischen Präsidenten Mauricio Macri (gut möglich, dass er wieder der nächste wird) und Florentino Pérez, dem Bonzenpräser der Merengues. Beide verdienen sich in Argentinien mit Mautgebühren dumm und dämlich.
Fußball gespielt wurde auch. Gegner Botafogos war Atlético Mineiro aus Belo Horizonte (Minas Gerais). Botafogo kickte neunzig Minuten in Unterzahl, nachdem der defensive Mittelfeldspieler Gregore nach 40 Sekunden vom Platz gestellt worden war. Das Team des »Galo« (Hahn) wusste das nicht auszunutzen. Bereits zum Pausenchurrasco stand es nach Einlochungen des alles überragenden Luiz Henrique und Alex Telles (VAR-Penal) 2:0 für den aktuellen Tabellenanführer des Brasileirao und heißen Meisterschaftsfavoriten. Zwar verkürzte der Ex-Hoffenheimer Eduardo Vargas direkt nach dem Wechsel, doch die Cariocas, angetrieben vom argentinischen Weltmeister Thiago Almada, blieben cool. Mineiro glänzte einmal mehr durch Ineffizienz, miserable Deckung, kurz: Apathie. Deyverson war ein Totalausfall. Júnior Santos bestrafte das folgerichtig in der 97. Minute, die 20.000 Torcedores Botafogos verfielen in Glückseligkeit, wie es sich gehört. Dreißig Jahre Leid waren Geschichte. Mit dem Titel qualifizierte sich Botafogo als letztes Team für die Klub-WM 2025 in den USA sowie für den Weltpokal in Doha im Dezember.
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