Wahlkampf mit »Taurus«
Von Karim NatourVor dem Hintergrund der vorgezogenen Bundestagswahlen im Februar intensiviert sich die Debatte um die deutsche Ukraine-Politik: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bediene »russische Angstnarrative« und mache »Wahlkampf auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung«, kritisierte am Montag der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter anlässlich eines Ukraine-Besuchs des Bundeskanzlers. Der Augsburger Allgemeinen sagte Kiesewetter, Scholz wolle »der zunehmenden Kritik in Deutschland an seinem verantwortungslosen Wahlkampf entgegenhalten«. Weil der Bundeskanzler die sofortige Einladung in die NATO, die Lieferung weitreichender Waffen sowie die Freigabe, militärische Ziele in Russland anzugreifen, verweigere, sei die Reise »verlogen«. Zudem schwäche er mit dem Besuch die »europäische Sicherheit durch gezieltes Spielen mit Nuklearängsten und der Infragestellung des NATO-Schutzes«.
Scholz war am Montag zu seinem ersten Besuch seit zweieinhalb Jahren in der Ukraine eingetroffen und hatte Rüstungslieferungen an Kiew im Wert von 650 Millionen Euro noch in diesem Monat angekündigt. BSW-Chefin Sahra Wagenknecht kritisierte die Zusage von Waffenlieferungen scharf. Als »Kanzler ohne Mehrheit schon wieder teure Waffengeschenke zu machen«, sei »nicht nur rücksichtslos gegenüber den deutschen Steuerzahlern«, sondern bedeute auch, dass »das Sterben in der Ukraine weitergeht und noch mehr junge Männer an der Front ihr Leben verlieren«, sagte sie in Berlin.
Bereits am Wochenende hatten Bündnis 90/Die Grünen Scholz nach seiner Rede auf der SPD-»Wahlsieg«-Konferenz scharf kritisiert. Die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) schrieb am Sonnabend auf X, es »wäre wirklich besser, sich zu besinnen, die Ukraine ausreichend zu unterstützen und damit auch unsere Sicherheit zu schützen und einen nachhaltigen Frieden auf den Weg bringen zu können«. Scholz hatte CDU-Chef Friedrich Merz in der Ukraine-Politik eine riskante Linie vorgeworfen und sein »Nein« zur Lieferung von weitreichenden »Taurus«-Marschflugkörpern bekräftigt. Die Grünen fordern seit langem die Lieferung von »Taurus« an Kiew.
So tadelte auch die Grünen-Parteispitze Scholz. Die neue Kovorsitzende Franziska Brantner antwortete auf die Frage der Bild am Sonntag, was sie mit Merz besser könne, als mit Scholz: »Frieden, Freiheit in Europa und klar an der Seite der Ukrainer stehen«. So sei sie »überrascht« gewesen, dass Scholz nicht zu einem Treffen der nordischen und baltischen Staatschefs gereist war. Brantners Äußerungen zogen wiederum Kritik von der SPD auf sich. SPD-Parlamentsgeschäftsführerin Katja Mast sagte gegenüber AFP, Deutschland stehe unverbrüchlich an der Seite der Ukraine. Sich »auf den Hitzkopf Friedrich Merz verlassen zu wollen«, sei eine »klare Ansage der Grünen«.
Am Montag äußerste sich auch der Kovorsitzende Felix Banaszak und bestätigte, dass die Grünen sich bei der Ukraine-Politik näher bei der Union als bei der SPD sehen. Erstere unterstütze »unsere Position« stärker, »als es andere im politischen Berlin gerade tun«, sagte der Grünen-Chef. Die Ukraine müsse man mit dem »unterstützen, was sie braucht, um sich gegen den Aggressor zur Wehr zu setzen«. Den Ukraine-Besuch des Bundeskanzlers begrüßte Banaszak. Auch Linke-Parteichef Jan van Aken erklärte zu der Reise: »Ich finde das gut.«
CSU-Generalsekretär Martin Huber erteilte indessen einer möglichen »Taurus«-Koalition von Union und Grünen nach der Bundestagswahl eine Absage. Huber erklärte gegenüber T-online (Sonntag), »Reden ja, koalieren nein«. Die CSU stört allerdings nicht der Ukraine-Kurs der ehemaligen »Friedenspartei«, sondern Bundeswirtschaftsminister und Kanzlerkandidat Robert Habeck. Dieser sei das »Gesicht der Rezession« und dürfe deshalb »in einer nächsten Regierung nicht noch mal ein Amt übernehmen«.
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