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Aus: Ausgabe vom 03.12.2024, Seite 6 / Ausland
Rumänien

Rechte findet Zulauf

Rumänien: Präsidentschafts- und Parlamentswahlen bezeugen Wunsch nach Wandel. Starke Linke absent
Von Fabio Bacci
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Jubelten schon am Sonntag abend: Anhänger der AUR in Bukarest

Es ist ein Rechtsruck, der sich in Rumänien abzeichnet: Nach Auszählung von 90 Prozent der Stimmen kommen die Sozialdemokraten bei den Parlamentswahlen vom Sonntag zwar mit rund 23 Prozent der Stimmen auf den ersten Platz. Ebenso wie der bisherige Regierungspartner, die liberalkonservative PNL, mussten sie jedoch herbe Verluste einstecken. Eigentliche Gewinner sind die Rechten von der Allianz für die Vereinigung der Rumänen (AUR). Mit rund 18 Prozent landeten sie auf dem zweiten Platz und konnten damit ihren Stimmenanteil im Vergleich zum Jahr 2020 verdoppeln. Ihr Wahlprogramm umfasste neben der »Wiedervereinigung« mit Moldau unter anderem eine konservative Familienpolitik, Antikommunismus, ein Ende der Ukraine-Hilfen und einen Stopp der Einfuhr günstiger ukrainischer Agrarprodukte. Auch fünf weitere Parteien schafften den Einzug in das Parlament in Bukarest, darunter die zwei neuen extrem rechten Parteien SOS România mit rund acht Prozent und POT mit sechs Prozent der Stimmen.

Schon eine Woche zuvor war dem als Unabhängiger angetretenen rechten Kandidaten Călin Georgescu in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen ein Überraschungscoup gelungen. Falls das Verfassungsgericht die Wahl für gültig erklärt – unterlegene Kandidaten hatten das Ergebnis in der vorigen Woche mit der Begründung angefochten, Georgescu habe seine Finanzierung nicht offengelegt; das Gericht ordenete daraufhin eine Neuauszählung der Stimmzettel an –, tritt er am kommenden Sonntag in der Stichwahl gegen die westlich orientierte zweitplazierte Liberale Elena-Valerica Lasconi an.

Georgescus Erfolg könnte seiner früheren Partei AUR am Sonntag weiteren Aufschwung verliehen haben. Bis ins Jahr 2022 war er Mitglied, trat dann jedoch infolge der Kritik an seiner »prorussischen« und NATO-kritischen Haltung aus. So hatte er etwa das Raketenabwehrsystem des Kriegsbündnisses in Deveselu bei Caracal als »Schande der Diplomatie« bezeichnet. Für Kritik sorgte allerdings auch, dass er Nazikollaborateure als Nationalhelden und »Märtyrer« bezeichnete. Seither herrschte Funkstille um seine Person, erst kurz vor den Wahlen tauchte er wie aus dem Nichts wieder auf und schaffte es, vor allem die ärmeren Bevölkerungsschichten für sich zu gewinnen.

Beide Wahlen zeigen die starke Unzufriedenheit der Rumänen mit der bisherigen Politik, von der in Ermangelung starker linker Parteien vor allem die Rechte profitieren konnte. In einer Wahlanalyse schreibt auch das von der Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützte rumänische Onlinemedium Critic Atac: »Rumänien befindet sich in einer politischen und sozialen Krise und die wachsende Unterstützung für die AUR ist nichts anderes als eine Reaktion auf ein System, das seine Fortschrittsversprechen verraten hat.« Tatsächlich hat die AUR besonders bei Wählern in ländlichen, abgehängten Gebieten starken Zulauf gefunden, wo die Unzufriedenheit am größten ist. Neu ist jedoch, dass sowohl bei den Präsidentschafts- als auch den Parlamentswahlen die traditionell progressiv wählende rumänische Diaspora mehrheitlich AUR und Georgescu wählte.

In seiner Kampagne hatte Georgescu die Verstaatlichung strategischer Wirtschaftssektoren und eine gerechtere Verteilung der Ressourcen im Land versprochen. Er präsentierte sich als Politneuling ohne Verbindungen zu etablierten Parteien. »Rumänien braucht einen radikalen Wandel, um das System zu stürzen, das nur die Eliten begünstigt«, so eine der Parolen Georgescus. Dabei gelang es ihm, seine Botschaften auf Tik Tok millionenfach weiterzuverbreiten. Weil er die NATO kritisierte, ein Ende des Ukraine-Krieges forderte (auch um die Kosten der Unterbringung ukrainischer Geflüchteter im Land zu reduzieren) und Wladimir Putin dafür gelobt hat, russische Interessen zu verteidigen, wird er in vielen westlichen Medien wahlweise als »Trumpist« oder »Putinist« bezeichnet.

Gespannt wird nun auf den Ausgang der Stichwahlen geblickt. Zwar haben alle prowestlichen Parteien eine Koalition mit den Rechten ausgeschlossen. Doch rein rechnerisch könnten die rechten Parteien eine Minderheitskoalition bilden. Schon jetzt hat Rumänien eine polarisierte politische Landschaft, in der Lasconi versuchen wird, die Stimmen all derer zu gewinnen, die sie als weniger schlechte Option im Vergleich zu Georgescu sehen.

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