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Aus: Ausgabe vom 03.12.2024, Seite 6 / Ausland
Korea

Kaffeesatzlesen im Sperrgebiet

Südkorea: Starbucks-Filiale eröffnet an Grenze zu Nordkorea
Von Martin Weiser, Seoul
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Und »Cheese!«: Touris beim Ablichten im Starbucks-Café (Kimpo, 29.11.2024)

Am Freitag durfte die globale Kaffeehausketten Starbucks ihre erste Filiale an der innerkoreanischen Grenze eröffnen. Die Kaffeekonsumenten trennt dort nur etwas Wald und etwa ein Kilometer Fluss von einem kleinen Dorf im nordkoreanischen Landkreis Kaephung, das man mit den bereitgestellten Ferngläsern auch genauer unter die Lupe nehmen soll. Für Südkoreaner ist es durchaus spannend einmal mit eigenen Augen einen Nordkoreaner etwa bei der Feldarbeit zuzuschauen, schließlich verordnet der eigene Staat ein striktes Kontakt- und Reiseverbot.

Zur Eröffnung fanden sich auf der Aussichtsplattform des Aegibong-Öko-Friedensparks neben dem rechten Bürgermeister der zuständigen Stadt Kimpo mehrere Dutzend Menschen ein, viele davon Journalisten. CNN, Reuters und sogar die FAZ berichteten und machten damit unverhohlen Werbung für den Konzern. Laut der südkoreanischen Nachrichtenseite No Cut News verstieg sich Kimpos Bürgermeister Kim Byung Soo vor Ort zu der Aussage, die Nordkoreaner würden beim Anblick der Starbucks-Filiale die Bedeutung von Kapitalismus und liberaler Demokratie spüren. Den erleuchtenden Schriftzug oder gar das Markenlogo des Cafés gut sichtbar gen Norden am Gebäude anzubringen, hatte man sich dann aber doch nicht getraut. Kim möchte im nächsten Jahr dann neben das Symbol des Kapitalismus auch noch eins für den Nationalismus setzen: einen dreißig Meter hohen Fahnenmast mit der südkoreanischen Flagge.

Und wahrscheinlich steckt viel kapitalistische Gier hinter der Entscheidung, die Weltmarke einer der vielen regionalen Alternativen vorzuziehen. Mehr als 100.000 Cafés gibt es laut Statistikamt im ganzen Land, also eines auf 500 Einwohner. Eigentlich betrieb das Café Udium, das sich in Kimpo sozial engagiert, in der jetzigen Starbucks-Filiale einen Ableger. Wie es dazu kam, dass im September dann das US-Unternehmen die Nutzungsrechte für vier Jahre bekam, wollte der Bürgermeister dem Stadtparlament bisher nicht erklären. Der Vizepräsident des Parlaments, Bae Kang Min von der Demokratischen Partei, schrieb am Tag vor der Eröffnung, er warte noch immer auf eine Antwort.

Als man in Südkorea 2003 die Idee des Friedensparks entwickelte und ihn 2021 endlich einweihte, hatte man wohl anderes im Sinn. Nach den blutigen Kämpfen um die Gegend stellte man dort bereits 1954 eine Metallkonstruktion auf, die einem Christbaum ähneln und mit starker Beleuchtung einschließlich Kreuz an der Spitze die Nordkoreaner bekehren sollte. Alles auf von dem Militär kontrollierten Gebiet, was folgerichtig von der Demokratischen Volksrepublik Korea als psychologische Kriegführung kritisiert wurde. Mit der Annäherung der beiden koreanischen Staaten nach dem ersten Gipfel 2000 entschied der Süden, die Beleuchtung abzustellen. Das jedoch machte der nächste konservative Präsident Jahre später flugs wieder rückgängig. Nachdem 2014 herausgekommen ist, dass die hochgewachsene Leuchtreklame einsturzgefährdet war, wurde sie abgebaut.

Ob das Markencafé an der Grenze vier Jahre durchhält, wird sich zeigen. Die Öffnungszeiten von derzeit nur sechs Stunden an sechs Tagen in der Woche setzen dem Profitmachen schon jetzt Grenzen. Angesichts der zunehmenden Spannungen könnte am Ende nicht nur die Besucherzahlen zurückgehen, sondern auch die Idylle Schaden nehmen. Seit mehreren Monaten setzt die südkoreanische Regierung gezielt überdimensionierte Lautsprecher ein, um Propaganda in Form von Staatskritik bis K-Pop über die Grenze zu schallen. Sollte der Norden zur Revanche einen Lautsprecher auf die Aussichtsplattform richten, wäre es zumindest akustisch vorbei mit dem Frieden im Friedenspark. Statt den Süden gleichsam mit Propaganda und Musik zu beschallen, was wahrscheinlich noch mehr Besucher angelockt hätte, tönt aus den Lautsprechern des Nordens bisher an anderer Stelle ununterbrochen unangenehmer Lärm.

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