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Aus: Ausgabe vom 03.12.2024, Seite 8 / Inland
Umbennung von Straßennamen

»Die Geschichte wird weiterhin sichtbar bleiben«

Hamburg: Zwei nach Kolonialisten benannte Straßen umbenannt. Ein Gespräch mit Rachid Messaoudi
Interview: Kristian Stemmler
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Rachid Messaoudi bringt symbolisch das Straßenschild zu Ehren von Cornelius Fredericks an. Dieser kämpfte im Widerstand gegen die deutschen Kolonialherren im heutigen Namibia (Hamburg, 26.11.2024)

Am Montag ist auf Einladung des »Arbeitskreises Hamburg Postkolonial« die Umbenennung zweier Straßen in Hamburg Ohlsdorf gefeiert worden. Wer war Adolph Woermann, nach dem die Straßen zuvor benannt waren?

Adolph Woermann war seinerzeit der größte Privatreeder der Welt sowie deutscher Westafrikakaufmann und Politiker. Auf sein Wirken hin entstanden deutsche Kolonien in Afrika. Er ist mitverantwortlich für brutale Ausbeutung, die ihm enormen Reichtum bescherte, sowie für den Völkermord an den Ovaherero und Nama. Da Straßennamen nach Personen auch immer Ehrungen darstellen, war und ist Woermann als Namensgeber nicht mit unseren Werten vereinbar. Die Geschichte wird auch weiterhin sichtbar bleiben, nur nicht mehr aus der Perspektive der Täter, sondern der der Opfer und Widerstandskämpfer.

Schon 2016 thematisierte der Arbeitskreis die kolonialen Verbrechen und die Rolle Woermanns. Ihre Partei beantragte in der Bezirksversammlung Hamburg-Nord eine Umbenennung. Warum hat es so lange gedauert, bis sie umgesetzt wurde?

Damals ließen sich nur die Grünen von unserem Antrag überzeugen. Die Bedenken innerhalb der SPD waren vor allem beim damaligen Sprecher des zuständigen Regionalausschusses zu verorten. Erst als dieser in der darauffolgenden Legislatur weg war, war ein neuer Antrag sinnvoll. 2019 waren zunächst sogar alle dafür. Leider zog es sich dann hin, bis eine öffentliche Sitzung vor Ort zur Beteiligung der Anwohnenden angesetzt wurde, und dann kam Corona. Im Mai 2023 wurden die neuen Namen dann endlich beschlossen. Leider kam es dennoch zu weiteren Verzögerungen, auch weil die Schreibweise eines Namens falsch war.

Der Woermannsweg wurde in Louisa-Kamana-Weg umbenannt, der Woermannstieg in Cornelius-Fredericks-Stieg. Wer sind die neuen Namensgeber?

Die Vorschläge haben wir von den schwarzen Communitys erhalten, ohne die wir gar nicht so weit gekommen wären. Sie waren nicht nur Impulsgeber für längst überfällige Veränderungen, sondern standen uns mit sehr viel Wissen zur Seite. Louisa Kamana – etwa 1878 bis 1903 – war die Tochter eines Ovaherero-Anführers. Sie wurde 1903 auf einer Reise mit ihrem Mann und ihrem neugeborenen Baby Opfer sexualisierter Gewalt. Gemeinsam mit ihrem Baby wurde sie ermordet. Der deutsche Täter wurde zunächst freigesprochen und erst nach Unruhen zu drei Jahren Haft verurteilt. Er wurde schon nach elf Monaten entlassen. Kamana steht stellvertretend für das Leid Tausender Frauen.

Cornelius Fredericks – 1864 bis 1907 – war eine Persönlichkeit des militärischen Widerstands der Aman (Bethanier-Nama). Nach jahrelangem Guerillakrieg gegen die Besatzer wurde er 1906 gefangengenommen und starb 1907 in einem Lager auf der Haifischinsel in Namibia. Dort starben 80 Prozent der Gefangenen.

Ihre Fraktion hat in der Bezirksversammlung auch die Umbenennung des Justus-Strandes-Wegs in Ndekocha-Weg beantragt. Um wen handelt es sich dabei?

Justus Strandes hat Carl Peters (Begründer der Kolonie Deutsch-Ostafrika, jW) finanziert, mit Waffen versorgt und ihm es erst ermöglicht, so schnell in Ostafrika Fuß zu fassen und seine Schreckensherrschaft aufzubauen. Strandes war maßgeblich mit daran beteiligt, dass es deutsche Kolonien in Ostafrika geben konnte. Ndekocha – auch »Jagodja« geschrieben – war Zwangsgeliebte von Peters, der ihr ein Verhältnis mit seinem Diener unterstellte. Diesen ließ er hinrichten, woraufhin Ndekocha floh. Nach der zweiten Flucht ließ er sie hängen.

Warum war die SPD, die der Umbenennung zuvor zugestimmt hatte, später im Regionalausschuss dagegen?

Als sich herausstellte, dass es sich bei der ursprünglich von uns verwendeten Schreibweise um eine deutsche Fremdbezeichnung handelte und für die meisten im Ausschuss feststand, dass diese nicht verwendet werden könne, zog sich die SPD von dem Vorhaben der Umbenennung zurück. Warum die SPD die Vielfalt unserer Gesellschaft nicht im Stadtbild widergespiegelt sehen möchte, bleibt ihr Geheimnis. Das fachlich zuständige Staatsarchiv begrüßt die korrekte Schreibweise ausdrücklich.

Rachid Messaoudi ist aktiv bei der Linkspartei in Hamburg-Nord

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