Im Blindflug
Von Wolfgang PomrehnDeutschlands oberste Diplomatin macht ihrem Ruf mal wieder alle Ehre. Schon länger für ihre höchst undiplomatischen Ausfälle berüchtigt, lieferte Außenministerin Annalena Baerbock kurz vor ihrem am Montag angetretenen Besuch in China ein neues Beispiel ab. »Wir werden daher nicht dulden, wenn andere zum Schaden deutscher und europäischer Industrie die internationalen Spielregeln verletzen«, ließ sie wissen und beschuldigte ihre Gastgeber »staatlich subventionierter Überproduktion«.
Ein bemerkenswerter Vorwurf für die Vertreterin eines Landes, das seiner eigenen Solarindustrie den Garaus gemacht hat, das nicht in der Lage ist, für die heimischen Hersteller von Windkraftanlagen einen ausreichend großen und stabilen Binnenmarkt zu schaffen, und dessen Automobilbranche seine Ingenieure zwei Jahrzehnte vor allem mit Abgasbetrug beschäftigte, derweil China systematisch die Entwicklung von Akkus und Elektromotoren vorantrieb. Während hiesigen Konzernen allemal die Dividende wichtiger ist als Investitionen in Forschung und Entwicklung, beklagt sich die Ministerin über die in längeren Fristen denkende Konkurrenz, und dazu auch noch in einem Ton, der ungute Erinnerungen weckt.
Baerbock war damit allerdings noch nicht am Ende. Statt »Verantwortung für Frieden und Sicherheit in der Welt zu tragen« stehe die Volksrepublik Russland mit »Wirtschafts- und Waffenhilfe« bei und stelle sich damit »gegen unsere europäischen Kerninteressen«. Derlei von einer Ministerin vorgetragen, deren Regierung sich mit beträchtlichen Waffenlieferungen an einem Krieg beteiligt, den auch der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag offenbar für einen Völkermord hält, dürfte an Dreistigkeit schwerlich zu überbieten sein. Man darf gespannt sein, ob es den chinesischen Gastgebern gelingt, die Contenance zu bewahren. Vermutlich werden sie den Besuch mit Langmut erdulden, auf den baldigen Berliner Personalwechsel hoffen und ansonsten ihre Wirtschaftsbeziehungen weiter diversifizieren, zum Beispiel, in dem sie Afrika industrialisieren.
Auf dem aufstrebenden Kontinent und in anderen Teilen des Südens schüttelt man ohnehin über die Doppelmoral des Wertewestens nur noch den Kopf und sieht lieber zu, sich aus dessen wirtschaftlicher Abhängigkeit zu winden. Die Ära des Eurozentrismus ist vorbei, auch wenn dies hierzulande noch keiner mitbekommen hat. Vielleicht steckt es ja jemand der Außenministerin in Beijing.
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