Mit Memes in den Mainstream
Von Marc BebenrothDie Schwedendemokraten schafften es, als von Neonazis gegründete Rechtsaußenpartei zur mittlerweile zweitgrößten politischen Kraft des NATO- und EU-Staats aufzusteigen. Dazu beigetragen haben ein Wandel an der Führungsspitze, eine andere politische Rhetorik und Social-Media-Plattformen. Das zumindest wird in einem am Freitag auf dem Portal sciencenorway.no veröffentlichter Beitrag von Anna E. Hasselström, Doktorandin für Kommunikationswissenschaft am Osloer Kristiania University College, festgestellt. Ihr zufolge habe die extrem rechte Partei mit dem Amtsantritt ihres Parteivorsitzenden Jimmie Åkesson im Jahr 2005 ihre offizielle Außenkommunikation so verändert, dass die Schwedendemokraten damit eher an vom Mainstream akzeptierte Vorstellungen andocken konnten.
Mittels »neutraler Botschaften« habe man die eigenen extrem rechten Ansichten verdeckt verbreiten können. So seien »offen rassistische und antisemitische« Begriffe durch Chiffren wie »Globalisierung« oder »Masseneinwanderung« ersetzt worden. Sogenannte Influencer hätten diese strategisch neutrale Sprache übernommen. Parallel zu so bereinigten Propaganda sei vor allem im Internet eine extrem rechte Form der Satire verbreitet worden. Als Humor getarnte Äußerungen seien ein wirksames Werkzeug geworden, um vor allem mit sogenannten Memes »politische Korrektheit«, gesellschaftliche Eliten, nichtweiße Menschen sowie Liberale beim Publikum verächtlich zu machen.
Inspiriert worden sei jene Propaganda von unten durch Imageboards wie 4chan oder 8chan/8kun – als Abgrund von Menschenverachtung und faschistischer Radikalisierung berüchtigte Plattformen – sowie durch faschistische Bewegungen aus den Vereinigten Staaten oder der Bundesrepublik, die der Vorstellung von der »Überlegenheit der weißen Rasse« (White Supremacy) anhängen. Auch die Neonaziorganisation Nordic Resistance Movement (NRM) habe sich dieser Form der Onlinepropaganda bedient, schrieb die Osloer Kommunikationswissenschaftlerin. Die NRM habe ihre bis dahin unverhüllte Nazirhetorik abgelegt und statt dessen »eine ironische Ebene eingeführt, die rechtsextremes Gedankengut attraktiver, legitimer und für ein breiteres Publikum akzeptabel macht«.
Innerhalb von Gruppen sei eine Funktion dieser Form der Kommunikation, mit rassistischen »Witzen« die als »Fremde« markierten Personen oder Gruppen einerseits zu verhöhnen und andererseits eine Ordnung zu etablieren, die ein Machtungleichgewicht schaffe zwischen denen, »die den Witz machen, und denen, die ausgelacht werden«. Aufgrund der von oben gewählten »neutralen« Sprache sowie der pseudoironischen von unten könne gegenüber Dritten stets behauptet werden, bei rassistischer Agitation habe es sich »nur um einen Witz« gehandelt. »Dies wird zu einem rhetorischen Mittel, das den einzelnen durch Ablenkung vor einer kritischen Überprüfung schützt und gleichzeitig die Solidarität innerhalb der In-Group stärkt«, erklärte die Autorin.
Deren kurzer Abriss trifft allerdings keine Aussage zur Zusammensetzung jenes »breiteren Publikums«. Dabei besteht ein Drittel der Wählerschaft der Schwedendemokraten heutzutage aus Arbeitern, ein weiteres Drittel aus Kleinbürgern. Die Arbeiterklasse Schwedens ist Studien zufolge inzwischen kulturell sozial-konservativ eingestellt und hängt sozio-ökonomisch rechten Positionen an, wie Anders Carlsson, Mitglied des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Schwedens, im Mai dieses Jahres in dieser Zeitung berichtete.
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