Auf Eis legen
Von Arnold SchölzelUnter dem Titel »Appell der 38: Eine Minute vor Zwölf« haben die Politikerin Sahra Wagenknecht und die Autorin Alice Schwarzer sowie 36 Unterstützer am Mittwoch auf der Internetseite der Zeitschrift Emma einen »an die deutsche Politik« gerichteten Aufruf zu Waffenstillstand und Frieden in der Ukraine veröffentlicht. Sie warnen darin vor »einem großen europäischen Krieg«.
Die Autorinnen schreiben eingangs: »Der völkerrechtswidrige Krieg Russlands gegen die Ukraine tobt seit über 1.000 Tagen.« Ein Ende des Sterbens sei nicht in Sicht. Sie kritisieren die »Last-Minute-Entscheidung des US-Präsidenten Biden, Angriffe auf Russland mit von den USA gelieferten Raketen zu genehmigen«. Das habe »eine neue Eskalationsstufe eingeleitet«. Inzwischen hätten Großbritannien und Frankreich nachgezogen und die von ihnen gelieferten Raketen für russische Ziele freigegeben. Damit steige »das Risiko für ganz Europa extrem. Deutschland könnte das neue Schlachtfeld werden.«
Wagenknecht und Schwarzer erinnern daran, dass sich Biden in der Vergangenheit geweigert hatte, »diesen Schritt zu gehen, um, wie er selbst betonte, einen dritten Weltkrieg zu vermeiden«. Und fragen: »Gilt das jetzt nicht mehr?« Sie wenden sich dann dem Kriegskartell deutscher Parteien zu: »Statt alles dafür zu tun, die hochgefährliche Situation zu entspannen, wollen CDU, FDP und Grüne jetzt der Ukraine auch noch ›Taurus‹ -Raketen liefern. Damit könnte Selenskij Ziele tief in Russland punktgenau angreifen.« Da diese Raketen von Bundeswehrsoldaten programmiert werden müssten, käme die »Taurus«-Lieferung »fast einer Kriegserklärung Deutschlands an die Atommacht Russland gleich. Sie würde mit hoher Wahrscheinlichkeit eine militärische Antwort Russlands nach sich ziehen.« Oberste Pflicht sollte es aber sein, »eine Katastrophe für unser Land und alle Menschen in Europa zu vermeiden«. Deutschland habe zwar keine handlungsfähige Regierung, aber ein handlungsfähiges Parlament: »Wir appellieren an alle politischen Akteure: Vergessen wir unsere Differenzen und handeln gemeinsam, um das Schlimmste zu verhindern!« Es sei »höchste Zeit, dass sich die deutsche Politik mit Nachdruck für eine Deeskalation und einen sofortigen Waffenstillstand mit anschließenden Friedensverhandlungen einsetzt«, wie das der von der Schweiz unterstützte Friedensplan Brasiliens und Chinas vorsehe.
Der Appell endet mit den Worten: »Den Ukraine-Krieg kann und wird keine Seite gewinnen. Wenn die Waffen nicht bald schweigen, laufen wir Gefahr, alle gemeinsam zu verlieren. Noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Gefahr eines Nuklearkriegs in Europa so groß wie jetzt. Wir müssen sie bannen, bevor es zu spät ist.«
Den Appell unterzeichneten mehrere namhafte SPD-Politiker wie der frühere Innenminister Otto Schily, der frühere Ministerpräsident des Saarlandes Reinhard Klimmt und der ehemalige EU-Kommissar Günter Verheugen. Außerdem: Die Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Katarina Witt, die Schriftstellerinnen Daniela Dahn und Juli Zeh, die Schauspieler Henry Hübchen und Uwe Kockisch, der Liedermacher Hans-Eckardt Wenzel, der CSU-Politiker Peter Gauweiler, der frühere Ministerpräsident des Saarlandes Oskar Lafontaine sowie die Publizistin Gabriele Krone-Schmalz.
Wagenknecht und Schwarzer hatten am 10. Februar 2023 ein »Manifest für Frieden« veröffentlicht. Es hat auf der Plattform change.org mehr als 900.000 Unterstützer.
Aufruf unter: emma.de
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Leserbrief von Holger K. aus Frankfurt (5. Dezember 2024 um 17:24 Uhr)Ein Friedensappell hat zwar so seine Berechtigung, ist aber alleine, für eine gewünschte Zielsetzung einfach nicht ausreichend, denn außer eine Aufmerksamkeitsbekundung hat er keine wirkliche Schlagkraft. Er gerinnt somit zu einem bloßen kategorisch-moralischen Imperativ und dann hat es sich auch schon. Bis jetzt hat dies die Praxis zur Genüge bewiesen. Außer Aufmerksamkeit ist da allermeist nichts herausgekommen. Zudem haben bloße Appelle den Beigeschmack eines bloß Wünschenden. Wichtig wäre es daher primär gewesen, dass entschieden gegen den Kriegseinsatz der Bundeswehr, die ständige Waffenhilfe an die Ukraine, sowie die Aufrüstung des hiesigen Militärs eine Frontstellung bezogen wäre. Auch die Rolle der NATO ist in den Vordergrund zu rücken, damit bloßes rechtschaffen zu sein, vermieden werde. Mit anderen Worten, hier ist zu Demonstrationen und möglichst Streiks aufzurufen, sprich Straße und Betrieb sind da zuerst zu aktivieren, statt eine bloße Unterschriftenliste in Umlauf zu bringen. Und ja, Papier ist geduldig, hehre Absichten wohl wacker, das reicht allerdings nicht, bei der vorherrschenden hochdramatischen Lage. Außerdem sind bloße Friedensappelle nicht aufklärerisch genug, zeigen mitunter falsche oder nicht hinreichende Hintergründe eines Geschehens auf und beziehen nicht eindeutig Stellung, verbleiben oftmals im eher moralisch-Abstrakten, lassen Interessen der Betroffenen nicht wirklich zum Vorschein kommen.
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Leserbrief von Peter Kraus aus Freiburg (5. Dezember 2024 um 11:04 Uhr)Inhaltlich ist das ja sehr zu begrüßen. Dass niemand von der Linken bei den Erstunterzeichnern dabei ist, ist sicher kein Zufall, sondern vom BSW so gewollt. Bei vorhandener Sympathie fürs BSW hätte die Bedeutung des Themas doch ermöglichen sollen, dass man auch bei den Linken anfragt. So entsteht das starke Geschmäckle, dass es hier um eine Profilierung für den Frieden, aber auch gegen die Linke geht. Historisch hat diese Spalterei oft geschadet … Auch wenn das BSW sich extra nicht mit linker Kultur im Auftritt umgibt, gibt es doch viele Linke-Themen die dort transportiert werden. Ein beträchtlicher Teil der Wählerschaft kommt ja auch von der Linken. Objektiv ist es ein Konkurrenzangebot.
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Leserbrief von Peter Weyers aus 58239 Schwerte (5. Dezember 2024 um 18:28 Uhr)Leider ist die Friedensbewegung in diesem Land untergetaucht. Solche Appelle müssten von vorneherein parteiunabhängig von ihr kommen. Ohne Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger bleibt bloß eine Unterschriftenliste ohne Wirkung. Das BSW hat nicht die Strahlkraft in der Bevölkerung, um hier für eine große Welle zu sorgen. Das liegt sicher auch daran, dass Frau Wagenknecht polarisiert. Und das will sie ja auch. Im Übrigen ist auch niemand von der Alternative für Deppen auf der Liste.
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Leserbrief von Hans Wiepert aus Berlin (5. Dezember 2024 um 14:12 Uhr)Die Partei Die Linke setzt ja selbst eher auf Abgrenzung vom BSW: Etwa indem sie den abgewählten MP Bodo Ramelow als Wahlkreiskandidaten aufstellt. Der steht bekanntlich für Waffenlieferungen. Die Linke hat mit dem Herausmobben der Leute um Wagenknecht, de Masi und Dagdelen die Konkurrenzsituation schon höchstselbst herbeigeführt.
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Leserbrief von Wallocha, Anja Mathilde aus Berlin (5. Dezember 2024 um 12:25 Uhr)»… sicher kein Zufall, sondern vom BSW so gewollt …«, ist das nicht auch schon wieder Spaltung und nicht das dringend notwendige Versöhnen und Kompromisse schließen in dieser so entscheidenden Frage? Im Aufruf der 38 Erstunterzeichner wird genau darum gerungen: Im Angesicht der wirklich extrem gefährlichen Lage geht es darum, Gräben zu überwinden, unterschiedliche Auffassungen zurückzustellen und gemeinsam (!) das Schlimmste zu verhindern! Alle können nun ihre Unterschrift unter den Aufruf setzen und mit dafür sorgen, dass die Million bis zu den Wahlen am 23.2.2024 erreicht wird! Ich bin sehr froh, dass zu den Erstunterzeichnern Menschen aus allen demokratischen Parteien gehören, quer durch alle Schichten der Bevölkerung! Hört auf mit den Vorhaltungen, findet wieder das Gemeinsame! Lernt aus der Hisorie! A. M. Wallocha
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (5. Dezember 2024 um 12:01 Uhr)Könnte es aber auch sein, dass sich niemand von den Linken darum bemüht hat, eine solche gemeinsame Initiative zu starten, die alle parteipolitischen Gräben vergisst, wenn es ums Überleben geht? Und ist das nicht das eigentlich Wichtige: Sich gemeinsam gegen die Kriegsbesoffenheit der deutschen Politik zu wenden. Denn um nichts anderes geht es wirklich: Deutschland zu einem friedensfähigen statt zu einem kriegstüchtigen Land zu machen.
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