Trump gibt Vorgeschmack
Von Knut MellenthinDonald Trump ist noch nicht einmal Präsident, doch der Hamas hat er im Vorgriff auf seine künftigen Befugnisse schon ein Ultimatum gestellt: Falls nicht bis zum 20. Januar, dem Tag seiner offiziellen Amtsübernahme, alle »Geiseln« frei sind, werde im Nahen Osten die Hölle los sein, drohte der exzentrische 78jährige am Sonntag auf der Internetplattform Truth Social: »Die Verantwortlichen werden härter getroffen werden, als irgend jemand in der langen und ereignisreichen Geschichte der Vereinigten Staaten von Amerika getroffen wurde. Lasst die Geiseln sofort frei!«
Woran Trump bei diesem Theaterdonner gedacht haben mag, erschließt sich aus dem Geposteten nicht. Die härtesten Schläge in der Geschichte der USA trafen zweifellos die Bewohner von Hiroshima und Nagasaki im August 1945. Das ist kaum noch steigerungsfähig.
Anlass des Postings war ein Video einer Geisel, das die Hamas am Sonnabend veröffentlicht hatte. Zu sehen und zu hören war der 20jährige Edan Alexander, der an Trump appellierte, seinen »Einfluss und die volle Macht der Vereinigten Staaten« einzusetzen, »um unsere Freiheit auszuhandeln«. Der in New Jersey aufgewachsene Alexander hat die doppelte Staatsbürgerschaft der USA und Israels. Am 7. Oktober 2023 war er als Soldat in der Nähe des Gazastreifens und wurde während der Offensivoperation palästinensischer Kämpfer gefangengenommen.
Trumps Drohung demonstriert, was er unter Diplomatie versteht und wie er seine Lieblingsparole »Peace through strength« meint. Die Tonart erinnert exakt daran, wie er im August 2017 seine insgesamt drei Treffen mit dem Staats- und Parteichef der DVRK, Kim Jong Un, anbahnte. Bei einer improvisierten Pressekonferenz in seinem Golfklub hatte Trump damals verkündet, er werde den Nordkoreanern, falls sie sich weiter »drohend« verhielten, »mit Feuer und Zorn und mit einer Schlagkraft begegnen, wie die Welt sie noch nie zuvor gesehen hat«. Die späteren Treffen verliefen ergebnislos. Trump war offenbar nicht bewusst, dass zur Diplomatie nicht nur martialische Gesten, sondern auch echte Angebote gehören.
Dass er daraus für seine zweite Amtszeit etwas gelernt hat, ist bisher nicht zu erkennen. Das gilt nicht nur für sein Herangehen an die Hamas (und damit auch an die noch lebenden israelischen Gefangenen im Gazastreifen), sondern vor allem für das Verhältnis zwischen den USA und dem Iran, was wahrscheinlich schon in den ersten Monaten des kommenden Jahres eine zentrale Rolle spielen wird. Im September hatte Trump während einer Wahlkampfveranstaltung angekündigt, er strebe eine Vereinbarung mit Teheran an. Der Abschluss eines »Deals« sei notwendig, weil die Folgen anderenfalls »unmöglich« seien. Andererseits gibt es bisher keine Hinweise oder wenigstens ganz schwache Andeutungen, dass Trump dazu mehr einfallen wird als die Fortsetzung der von ihm und Joe Biden fast unterschiedslos betriebenen »Strategie des maximalen Drucks«.
Benjamin Netanjahu bedankte sich am Dienstag zu Beginn einer Kabinettssitzung für das »Ultimatum« an die Hamas. Trump lege die Betonung an die richtige Stelle, statt Israel unter Druck zu setzen, wie es üblich sei. Finanzminister Bezalel Smotrich von den extrem rechten »Religiösen Zionisten« lobte Trumps »klares und moralisch gesundes« Statement, das keine »falsche Gleichsetzung« schaffe, »sondern vielmehr klarstellt, wer gut und wer böse ist«.
Trumps Prioritäten
Der im Libanon geborene, aber in den USA aufgewachsene Milliardär Massad Boulos ist einer der wichtigsten Nahostberater des nächsten US-Präsidenten. In einem Interview mit der französischen Zeitschrift Le Point äußerte er sich am Dienstag zu dessen Prioritäten in der Nahostpolitik.
An erster Stelle stehe die sofortige Freilassung der im Gazastreifen gefangengehaltenen Geiseln.
An zweiter Stelle stehe die Diskussion über eine »Roadmap«, die zu einem palästinensischen Staat führen könnte. Ein solcher wird zwar von allen relevanten Parteien Israels abgelehnt und ist offensichtlich unrealistisch. Aber darauf komme es der herrschenden Dynastie Saudi-Arabiens, für die dieser Köder bestimmt ist, in Wirklichkeit auch gar nicht an, behauptete Boulos. Auf die Frage, ob die Trump-Administration eine Annexion der Westbank durch Israel unterstützen würde, antwortete Boulos ausweichend: Darüber sei bisher noch nicht entschieden.
Als dritte Priorität sprach Boulos den Iran an. Trump werde zu seiner Politik des »maximalen Drucks« zurückkehren. Trump gehe es vor allem um inhaltliche Forderungen und nicht um den Sturz des dortigen »Regimes«, mit dem er zu verhandeln bereit sei. Die wichtigsten Themen seien erstens: Iran dürfe auf gar keinen Fall über Atomkraft verfügen. Zweitens: Irans Raketen seien ein Risiko nicht nur für Israel, sondern auch für die Golfstaaten. Und drittens: Das Problem der iranischen »Stellvertreter« in der Region, sei es nun in Gaza, im Libanon, Irak oder Jemen, müsse gelöst werden. (kn)
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