»Die Kürzungen haben Auswirkungen für alle«
Interview: Gitta DüperthalDie Berliner Wohlfahrtsverbände wollen mit einer Kundgebung am Donnerstag vor dem Abgeordnetenhaus gegen die Einsparungen im Berliner Haushalt protestieren. Was würde der Haushalt für die Jugendarbeit bedeuten?
Wir befürchten, dass bei den sozialen Projekten für Jugendliche, Kinder und Familien ungefähr 40 Millionen Euro eingespart werden sollen. Darunter sind auch Beratungsangebote. Betroffen werden Jugendfreizeiteinrichtungen, Klubs, Familienzentren und die Schulsozialarbeit sein. Dieses Vorhaben hat auch deshalb so dramatische Konsequenzen, weil all diese Projekte schon in der Vergangenheit nicht gerade üppig ausgestattet waren. Das bedeutet, solche Angebote werden eingeschränkt oder gar geschlossen werden müssen. Gekürzt werden soll auch bei der Tarifvorsorge und somit bei der Bezahlung der Beschäftigten. Viele Mitarbeitende werden sich auf kurzfristige Stellenreduzierungen, Verzicht auf Gehaltserhöhungen und vielleicht gar Jobverlust einstellen müssen. Vor allem aber wird es auch die Berliner Kinder, Jugendlichen und Familien treffen. Wir müssen uns fragen: Wie können wir unter den Umständen Berlin als soziale Stadt überhaupt erhalten?
Noch herrscht Unsicherheit, welche Projekte es konkret betreffen wird.
In vier Wochen ist das Jahr zu Ende. Doch die Vereine, Einrichtungen und Projekte wissen weder, wo genau noch in welchem Umfang gekürzt werden soll. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Projekte sind massiv verunsichert. Sie wissen nicht, wie und ob es am 1. Januar für sie weitergeht. Projekte, die jährlich neu planen und beantragen müssen, haben noch keine Zuwendungsbescheide erhalten. Viele rufen deshalb derzeit bei der Verwaltung an. Aber von dort gibt es keine klaren Auskünfte.
Wenn bei Jugendprojekten Millionenbeträge eingespart werden, geraten wohl auch mehr junge Menschen auf die schiefe Bahn. Im Anschluss gibt man dann mehr für die Polizei aus. Lassen sich mit den Kürzungen auf lange Sicht überhaupt Ausgaben sparen?
Natürlich hat es Auswirkungen, wenn Kinder und Jugendliche nicht mehr gut betreut werden; wenn Sozialarbeiter Krisen nicht mehr auffangen oder sich um den Kinderschutz kümmern können. Gerade nach Corona ist auch in Bezug auf die psychische Gesundheit viel aufzuarbeiten. Kommt es so schlimm, wie wir es jetzt befürchten, könnten etwa mindestens 45 oder gar bis zu 90 Stellen in der Jugendsozialarbeit an Schulen wegfallen. Zentrale vorbeugende Maßnahmen des vor zwei Jahren installierten »Jugendgewaltgipfels« könnten gestrichen werden. Dabei wurden dafür gerade erst Gelder bewilligt und Projekte aufgestockt, um Jugendlichen eine Perspektive zu geben, damit sie lernen können, mit Krisen angemessen umzugehen. Wenn in der Gewaltprävention nun Mittel gekürzt werden, kann das langfristig negative Folgen haben. Kürzungen im Sozialen haben negative Auswirkungen für uns alle.
Staatliche Stellen ergreifen nur ungenügende Maßnahmen für Jugendliche. Wie kann es sein, dass man sich dann auch noch aus der Förderung heraushält? Wer steht in der Verantwortung dafür?
Wie das überhaupt so konzipiert sein kann, verstehen wir auch nicht. Man sagt uns, dass es drei Milliarden Euro Defizite gebe und deshalb gespart werden müsse. Für alle negativen Folgen, die sich aus den massiven Einsparungen ergeben, steht der Berliner CDU/SPD-Senat in der Verantwortung.
Gehen Sie davon aus, Einfluss auf die Kürzungen nehmen zu können?
Würden wir uns keine Chancen dafür ausrechnen, würden wir jetzt nicht zu Protesten aufrufen. Es muss ein Umdenken geben. Unsere Parole: Die freien Träger sind wichtiger, als du denkst!
Kathrin Zauter ist Pressesprecherin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin
Kundgebung: Donnerstag, 5. Dezember, 13 Uhr vor dem Berliner Abgeordnetenhaus
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Regio:
Mehr aus: Inland
-
»Schutztruppe« für Kiew
vom 05.12.2024 -
Kanzler empfiehlt Wohnungsbau
vom 05.12.2024 -
Fetzenfliegen an Friteusen
vom 05.12.2024 -
Verwahranstalt Kita
vom 05.12.2024 -
High Noon bei VW
vom 05.12.2024