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Aus: Ausgabe vom 05.12.2024, Seite 8 / Ansichten

Demokratischer Firnis

Versuchte Usurpation in Südkorea
Von Jörg Kronauer
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Ein Symbolbild

Der Versuch, über Südkorea das Kriegsrecht zu verhängen, war vielleicht ein Vorgeschmack auf Dinge, die da noch kommen mögen. Dass er an entschiedenem Widerstand der liberalen Opposition und vor allem der Bevölkerung gescheitert ist, macht vorläufig ein wenig Mut. Nachdenklich stimmen Äußerungen aus dem Washingtoner Establishment, in denen es hieß, die Probleme, die Präsident Yoon Suk Yeol mit der Opposition gehabt habe, der Streit um den Haushalt etwa, das seien doch wahrlich keine Gründe, gleich zum äußersten zu greifen. So etwas tue man nur dann, wenn eine wirkliche Notlage vorliege: wenn die Sicherheit des Landes in Gefahr sei, etwa im Krieg. Yoon, ein antichinesischer Hardliner par excellence, hat in den zweieinhalb Jahren seiner Amtszeit viel dazu beigetragen, die Spannungen in Ostasien weiter anzuheizen und bewaffnete Konflikte wahrscheinlicher zu machen, indem er die Aufrüstung um jeden Preis vorangetrieben und den Schulterschluss mit den USA und Japan gegen China vollzogen hat – auch militärisch. Das Kriegsrecht ist die Kehrseite dieser Medaille.

Unangenehm, zumindest peinlich, ist der Vorfall für die Administration des scheidenden US-Präsidenten Joe Biden. Der hatte den erwähnten Schulterschluss mit Japan und Südkorea – aus PR-Gründen natürlich – stets als Bündnis der Demokraten gegen die Autokraten inszeniert. Im März hatte er den dritten internationalen US-»Demokratiegipfel« in Seoul abhalten lassen. Sein südkoreanischer Amtskollege Yoon hat ihm dies nun mit einem satten demokratischen Furz gedankt. Nicht, dass die – zum Glück schnell verpuffte – Ausrufung des Kriegsrechts wirklichen Schaden für die Vereinigten Staaten verursacht hätte. Übel riecht sie allerdings doch. Die üblichen, für die westliche Politpropaganda immer wieder nützlichen Predigten, man dürfe doch nicht putschen (Sahel), man müsse freie Wahlen ermöglichen (Georgien) – sie werden weiter beim eigenen Publikum verfangen, in Europa, in Nordamerika. Dass der globale Süden sich von ihnen nicht mehr beeinflussen lässt, dazu hat Yoon nun einen Beitrag geleistet.

Auch die Berliner Resteregierung und Moralministerin Annalena Baerbock dürften über Yoons Vorstoß kaum glücklich sein. Nicht nur, dass auch ihre Predigten dadurch noch schaler, noch durchsichtiger werden. Berlin hat die immer engere Anbindung Südkoreas – und Japans – an die NATO stets unterstützt, hat zuletzt außerdem begonnen, die militärische Kooperation mit Seoul zu forcieren, um der Bundeswehr einen Platz im großen Aufmarsch des Westens gegen China zu garantieren. Die südkoreanischen Militärs, mit denen Deutschland da kollaboriert, haben zumindest zu Anfang die Ausrufung des Kriegsrechts durch Yoon mitgetragen und das Parlament zu stürmen versucht. Beim nächsten Aufenthalt einer deutschen Fregatte in Busan wird man fragen dürfen, wen die Truppe da eigentlich ­besucht.

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