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Aus: Ausgabe vom 05.12.2024, Seite 10 / Feuilleton
Rock

Die perfekte Welle

Die japanische Surfrock-Band The Routes covert Joy Division
Von Fabian Lehmann
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Ian Curtis in der Interzone der »Unkown Pleasures« (Wandgemälde in West Palm Beach, Florida)

Es gibt Orte, die ihren eigenen Sound hervorgebracht haben. Manchester ist so einer. Joy Division, The Smiths oder Oasis sind allesamt Kinder der nordenglischen Arbeitermetropole und haben ihren Teil zum Klischee einer verregneten und traurigen Postindustriestadt beigetragen. Kalifornien klingt da anders, ist musikalisch nicht minder prägend und neben vielem anderen die Wiege des Surfrock. Jener instrumentalen Spielart des 60er-Jahre-Rock, die das Lebensgefühl der Wellenreiter vertonte und Bands wie The Surfaris, The Sentinals oder The Tornadoes hervorbrachte.

Manchester und Kalifornien sind sich so fern wie melancholische Düsternis und sonnengetränkter Hedonismus. Beide Extreme auf dieselbe Schallplatte zu pressen ist im Grunde nicht vorstellbar. The Routes haben es dennoch getan. Sie haben die Sonne nach Nordengland geholt und Joy Division Songs »versurft«. »Surfin’ Pleasures« nennt die japanische Retro­rock-Band ihr Cover-Album in Anspielung auf das Joy-Division-Debut »Unknown Pleasures«. Und das ist legendär, zählt zu den einflussreichsten Alben im Universum des Rock.

Der Erfolg des Post-Punk-Klassikers von 1979 verdankt sich neben seinem konsequent technokratischen Sound auch dem schlichten, aber wirkungsvollen Cover mit dem ikonischen Radiopuls auf schwarzem Grund. Auf dem Routes-Album ist der nun zur Welle verformt. Kein geringerer als Peter Saville selbst, der einst das Originalcover schuf, zeichnet auch für die graphische Neuinterpretation verantwortlich.

»Surfin’ Pleasures« eröffnet mit »Love Will Tear Us Apart«, dem wohl einzigen clubtauglichen Song von Joy Division. Mit dem melodiegetragenen Chart-Hit von 1980 haben The ­Routes leichtes Spiel, brauchen sie doch nur das eingängige Synthie-Thema in Gitarrenspiel zu übersetzen – mit ordentlich Hall und schnellem Staccato, wie sich das eben für eine Surf-Combo gehört.

Die Japaner um den zugereisten schottischen Gitarristen und Sänger Chris Jack haben seit Bandgründung 2005 in wechselnder Besetzung 14 Alben veröffentlicht, von rein instru­mental bis psychedelisch-verstrahlt. 2022 widmeten sie mit »The Twang Machine« bereits Kraftwerk ein eigenes Coveralbum. Erlaubte sich die Garage-Rock-Band damals noch die Breite des 60er-Jahre-Rock aufzurufen – mal hippiesk-verträumt, mal im Stil eines Italo-Western –, setzen sie auf »Surfin’ Pleasures« ganz auf ungestüme, dröhnend laute Gitarren und sind damit dem 90er-Jahre-Revival der Surfmusik näher als seinen vergleichsweise milderen Ursprüngen.

Hat man ihre Interpretation der Joy-Division-Songs einmal gehört, lauscht man den Originalen mit anderen Ohren. Ist »Ice Age« nicht bereits in seiner 1979er-Version ein verkappter Surfsong? The Routes müssen kaum noch was dazutun, lediglich den Sound auf Meeresfeuchte drehen. Entsprechend nah dran ist das Cover am Original.

Eine echte Aufgabe hingegen der Song »Passover«, der ursprünglich fast gänzlich ohne Gitarre auskommt. Wie so viele Joy-Division-Songs ist er getragen von der wuchtigen Rhythmus­einheit aus Bass und Schlagzeug, ergänzt um den zurückgenommenen Gesang von Ian Curtis. Das verschaffte der Band ihren mechanisch-maschinenhaften Sound, der die Kälte in die Glieder fahren lässt.

Die eingängigen Melodien, die sich dahinter verbergen, kann man da leicht überhören. Genau auf die aber zielt das gitarrenlastige Spiel der Routes und macht aus Düsterrock beschwingte Tanzstücke. Wer das für Frevel an den alten Meistern hält, irrt. Es ist eine Verneigung vor den großen Melodien der New-Wave-Wegbereiter. The Routes beweisen Fingerspitzengefühl in den von Achtelnoten geschundenen Fingerkuppen. Wüsste man nicht um den Ursprung einiger Songs auf »Surfin’ Pleasures«, man könnte sie leicht für Surf-Standards halten.

The Routes: »Surfin’ Pleasures« (Topsy Turvy)

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