Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 05.12.2024, Seite 10 / Feuilleton
Jazz in der jW-Maigalerie

Über den Gipfeln

Gebhard Ullmann und Anna Viechtl jazzten als Hemisphere 4 in der jW-Maigalerie in Berlin
Von Gisela Sonnenburg
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Reiseführer des Imaginären: Anna Viechtl und Gebhard Ullmann

Da ist er – der erste Ton des Konzerts am vorgestrigen Abend in der Maigalerie der jungen Welt in Berlin. Es ist ein langer, düsterer Ton, der klingt wie ein seltsames Röcheln. Aber er packt einen. Als sich ein weinerliches Zirpen von der Harfe zur Bassklarinette dazugesellt, wähnt man sich in einer Tropfsteinhöhle. Hemisphere 4 heißen die Urheber des Sounds, der aus akustischen und elektronischen Tönen besteht. Topjazzer Gebhard Ullmann hat die Gruppe gegründet, die mal zu zweit, mal zu viert, mal zu fünft, mal mit sieben Mitgliedern anrückt. Hannes Zerbe hat sie für seine Reihe »jW geht Jazz« eingeladen. Eigentlich hatte Hemisphere 4 als Trio auftreten wollen. Aus persönlichen Gründen fiel eine Musikerin aus. Also wurde Gebhard Ullmann an wechselnden Blasinstrumenten von Anna Viechtl an der Harfe begleitet.

Die Vielfalt der Klänge überrascht. Eruptiv, laut, dann wieder sanft absinkend, um alsbald aufzustreben: Bereits die Kurve der Lautstärke hält auf Trab. Die verschiedenen Stimmungen nehmen einen mit auf imaginäre Reisen.

»Impromptu Nr. 1« heißt das erste Stück. Es ist das erste von rund 25 Impromptus, die Ullmann komponiert hat. Es hat viel Drive: Aus einer Höhle scheint es uns in höchste Höhen zu führen. Wie ein musikalisches Hörspiel – »Hörfilme« nennt Gebhard Ullmann seine Musik – bringt es uns in ferne Welten. Exotik klingt an, es könnte sich um Südamerika handeln. Chile oder Brasilien, Argentinien, Peru oder Ecuador. Oben auf dem Chimborazo kann man den Blick in die Ferne schweifen lassen.

Ganz anders das zweite Stück, ein Solo fürs Sax. Es brüllt, es greint, es kreischt, es trommelt sogar. Dann kiekst es. Quäkt, knödelt, hat auf einmal ein elektronisches Echo. Eine westliche Großstadt scheint illustriert. Meditativ erschallt der letzte Ton, wird lange gehalten. Die Bassklarinette will aber auch ein Solo. Soll sie haben. Die Harfe kommt dazu, dieses Mal bearbeitet, als wäre sie eine singende Säge. Bewegt sich das Duo synchron, schwillt der Ton an. Wird ein reißender Fluss, der alles andere verschlingen könnte.

Da erklingt die Harfe von Anna Viechtl wie ein elektronisch verstärktes Klavier. »Additive Strömungen II« heißt das Stück. »Ich hab’s mit geometrischen Formen«, sagt Gebhard Ullman mit einem Anflug von Selbstironie. Auch der Name Hemisphere 4 leite sich ja von einer geometrischen Figur ab, die einen Kugelkörper bezeichnet. Oder die Halbkugeln der Erde.

Weltumspannend wirken auch die »Additiven Strömungen III«. Fast ist es ein Kampf, wie sich quietschende Geräusche gegen den minimalistischen Rhythmus zur Wehr setzen. Doch das Blasinstrument schert aus, offeriert eine orientalisch anmutende Melodie. Meereswellen spült die Harfe an. Wir sind weit weg von den Bergen. Und schnell wieder dort.

Hier oben ist die Luft zu dünn für ein Blasinstrument. Die Harfe hat ihr Solo, spielt ein Stück Tonleiter mit Schall, rauf und runter. Wie gebrettert kommt das. Wie geschrammelt. Wie geschrabbelt. Am Ende zieht sich der Klang zart und leise zurück, als wollte er flüchten. Der Gesichtsausdruck von Anna Viechtl wird lieblich. Musik ist schneller als jedes Flugzeug – wir landen wieder in Südamerika. »For Jim« heißt Ullmanns Hommage an Jim Pepper.

Pepper war ein indigener Musiker, sein »Witchi-Tai-To« von 1971 ein Welthit. Hingebungsvoll bläst Gebhard Ullmann seine Referenz. Er schließt die Augen, fühlt sich ein in das ferne Universum. Die Prärie ist unendlich. Ullmanns Gesicht wird ein Traum. Anbei das helle Sopransax, das süffige Blubbern der Harfe. Alles schwimmt, wird neblig, auf eine angenehm milde Weise. Zarte Wolken durchziehen die Gipfelreihen der Anden. Es könnte sich um ein Loblied des Mondes handeln.

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