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Aus: Ausgabe vom 06.12.2024, Seite 16 / Sport
Ski alpin

»Es ist unvernünftiges Verhalten«

Über Lindsey Vonns Comeback und Skisport mit Prothese. Ein Gespräch mit Martin Engelhardt
Von Andreas Müller
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Lindsey Vonn auf der Strecke (Stockholm, 23.2.2016)

Der US-Verband bestätigte am 14. November, dass Skirennläuferin Lindsey Vonn fünfeinhalb Jahre nach ihrem Karriereende in den alpinen Skizirkus zurückkehrt. Wahrscheinlich will es die Olympiasiegerin von 2010 in Vancouver bei den nächsten Winterspielen 2026 noch einmal wissen. Wir reden hier von einer viermaligen Gewinnerin des Gesamtweltcups und einer der schillerndsten Figuren im alpinen Skisport. Wäre einer normalen Kassenpatientin mit künstlichem Knie ein solches Comeback möglich?

Die Krankenkassen sind in ihrer Einflussnahme limitiert. Sie können einem Patienten mit künstlichem Kniegelenk nicht verbieten, sich als Rennläufer im alpinen Skisport zu betätigen. Ob es sinnvoll und klug ist, so etwas zu tun, steht auf einem anderen Blatt.

Wie gesund ist diese sportliche Rückkehr mit einem künstlichen Gelenk im rechten Knie aus medizinischer Sicht?

In der medizinischen Bewertung dessen hat es in der jüngeren Vergangenheit einen gewaltigen Wandel gegeben. Vor rund 30 Jahren haben es 29 von 30 befragten Rehamedizinern abgelehnt, mit Patienten, die ein künstliches Knie- oder Hüftgelenk hatten, überhaupt Sport zu treiben. Schon 20 Jahre später und erst recht heutzutage haben diese Mediziner überhaupt kein Problem mehr damit und befürworten einhellig, dass sich diese Patienten sportlich betätigen. Es werden allerdings zyklische Sportarten mit geringen Stauch- und Stoßbelastungen empfohlen wie Radfahren, Wandern, Nordic Walking oder Golf, während unfallträchtige Sportarten wie Fußball, Handball oder Kampfsportarten vermieden werden sollten.

Da gaben sich Ärzte im vergangenen Februar alle Mühe, Lindsey Vonn gesundheitlich instand zu setzen und müssen nun zusehen, wie sie sich auf Skiern wieder vorsätzlich im Weltcup waghalsig die Hänge hinabstürzt. Was denkt ein gestandener Orthopäde wie Sie, wenn er so etwas hört?

Wenn das Kunstgelenk ordnungsgemäß eingesetzt wurde und die Muskulatur optimal austrainiert ist, dann ist auch Skifahren wieder möglich. Die Bewegungsprogramme sind bei Lindsey Vonn sicher noch bestens im Gehirn abgespeichert.

Wie groß ist die Gefahr, dass das Knie nicht hält? Zumal Lindsey Vonn als Abfahrtsspezialistin in der bei weitem risikoreichsten Disziplin startet und inzwischen 40 Jahre alt ist.

Der heutige Skisport ist auf Schnelligkeit und mediales Spektakel aufgebaut. Die vereisten Strecken sind auch von vielen gut trainierten jüngeren Athleten nicht beherrschbar, so dass es zu vielen gravierenden Unfallfolgen für Athleten aus allen Nationalmannschaften kommt. Bei einem Patienten mit künstlichem Kniegelenk droht beim Sturz eine periprothetische Fraktur, also ein Bruch um die Prothese herum. Das kann katastrophale gesundheitliche Folgen nach sich ziehen.

Was, wenn die US-Amerikanerin neuerlich eine schwere Knieverletzung erleidet? So wie gerade der Rückkehrer Marcel Hirscher aus Österreich

Das Verhalten der Athletin ist aus medizinischer Sicht unvernünftig und bedenklich und für sie mit hohen Risiken verbunden. Meines Erachtens sollte sie sich dieses Comeback noch einmal reiflich überlegen und zu dem Schluss kommen: Besser nicht. Immerhin geht es hier um Wettkampfsport auf Topniveau und nicht um ein Freizeitvergnügen im Schnee.

Apropos. Würden Sie einem Patienten, dem Sie gerade ein künstliches Knie eingesetzt haben, zum wintersportlichen Skivergnügen raten?

Wenn Patienten mit künstlichem Kniegelenk unbedingt skifahren wollen, dann muss das Kniegelenk voll funktionstüchtig und die Muskulatur muss gut austrainiert sein. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, verhält sich der Hobbysportler außerdem vernünftig, wählt er risikoarme Strecken mit möglichst wenig Publikumsbetrieb, ist gegen den Skispaß nichts einzuwenden. Und sowieso gilt für alle auf der Piste: in keinem Fall in ermüdetem Zustand oder gar alkoholisiert runterfahren.

Professor Martin Engelhardt (64) ist Chefarzt für Orthopädie und Sportmedizin und leitet das Zentrum für Chirurgie am Klinikum in Osnabrück. Von 2000 bis 2006 war er Präsident der Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin (GOTS), bei den Olympischen Spielen 2004 in Athen und 2008 in Beijing betreute er das bundesdeutsche Team als leitender Orthopäde. Seit 1987 steht Martin Engelhardt als Präsident an der Spitze der Deutschen Triathlonunion (DTU)

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