Bosch-Bosse auf Konfrontationskurs
Von Oliver RastMimik, Gestik verraten viel. Rund 50 Personen in orangefarbenen Warnwesten mit silbernen Reflektorstreifen auf Hüfthöhe haben sich postiert, zu nächtlicher Stunde am Donnerstag. Sie blicken starr geradeaus, pressen Lippen zusammen, ziehen Mundwinkel nach unten. Vor der Schar ist ein weißes Stangenbanner mit schwarzem Schriftzug in den Boden gerammt. Links und rechts das Dreiecksymbol der IG Metall (IGM) – dazwischen steht in großen Lettern: »Ruht hier unser Arbeitsplatz?« Drumherum Holzkreuze samt flackernden Grablichtern. Totenstille. Oder besser: eine Extraschicht aus Protest. Vor dem Werk des Automobilzulieferers Bosch in Schwäbisch-Gmünd, im Musterländle. Aufgerufen hatte die örtliche IGM und der Betriebsrat von Bosch Automotive Steering.
Mit der Aktion wollen die Beschäftigten »weiter Druck auf das Management ausüben und Bosch auch an die eigenen Verpflichtungen erinnern«, betonte Tamara Hübner, Erste Bevollmächtigte der IG Metall Aalen/Schwäbisch Gmünd, am Freitag im jW-Gespräch. Die Bosch-Bosse hatten Ende November angekündigt, am Gmünder Standort ab 2027 bis zu 1.300 Jobs zu vernichten.
Nur: Es existiert bereits ein sogenannter Restrukturierungsplan, eine vor einigen Jahren abgeschlossene Vereinbarung zwischen Betriebsrat und Unternehmen, die bis Ende 2026 den »Abbau« der derzeit knapp 4.000 Stellen auf 2.850 vorsieht. Nun soll die genannte weitere Stellenstreichung hinzukommen. Hübner: »Ein Kahlschlag«, der einer Werksdemontage gleiche. Dazu passt, dass mit Jahresbeginn 2027 der vertraglich vereinbarte Schutz, auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten, wegfällt. Übrigens, Bosch ist in der ostwürttembergischen früheren Reichsstadt der größte Betrieb, sagte Hübner. Um so mehr sei die Unternehmensspitze in der Verantwortung, die neuerlichen Plänen zu revidieren. Die Belegschaft brauche eine Beschäftigungsperspektive, kein Läuten der Totenglocken.
Kein Wunder also, Wut, Enttäuschung und Trauer machen sich breit. Aufgeben wollen die Kolleginnen und Kollegen aber nicht, versichert Hübner. Und der Betriebsratschef der Bosch-Zuliefersparte, Frank Sell, erklärte kürzlich: »Wir werden unseren Widerstand zu diesen Planspielen nun auf allen Ebenen organisieren.« Und in allen Bereichen des selbsterklärten Technologiekonzerns. Denn das Management hatte bereits vor Monaten damit gedroht, bis Ende 2032 weltweit mehr als 12.000 Arbeitsplätze »abzubauen, so sozialverträglich wie möglich«. Allein in der BRD seien 7.000 Stellen betroffen. Fraglich, ob es dabei bleiben wird. Ebenfalls am Donnerstag teilte eine Bosch-Sprecherin mit, dass beim auf Fahrzeugsoftware spezialisierten Tochterunternehmen ETAS 400 Jobs auf der Streichliste stünden.
Dagegen tut sich was, und Sell will Wort halten. Am Freitag berieten Betriebsräte und IG Metaller, um weitere Protestaktionen zu koordinieren. Nicht nur in Baden-Württemberg – bundesweit. Abermals werden Belegschaftsvertreter und Gewerkschafter am kommenden Mittwoch zusammenkommen, erfuhr jW aus Metallerkreisen. Dabei seien nicht nur mehr symbolische Aktionen vorgesehen, etwa »aktive Mittagspausen«, kurze Kundgebungen im Anschluss an Betriebsversammlungen oder Protestformen wie vor dem Werktor in Schwäbisch-Gmünd. Die Signale stehen auf Warnstreik. Schon bei der »totenstillen Extraschicht« reckt einer im Hintergrund ein schlichtes Schild in die Höhe – der Appell: »Arbeiter in die Offensive!«
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