Entscheidende Schlacht
Von Gerd BedszentDie Schlacht von Ayacucho tobte am 9. Dezember 1824 im Gebiet der heutigen Republik Peru, unweit von Cuzco, der alten Hauptstadt des Inkareiches. Die Niederlage der spanischen Regierungstruppen gilt als entscheidend für den Unabhängigkeitskampf der entstehenden südamerikanischen Republiken.
Das heutige Spanien entstand im 15. Jahrhundert durch Zusammenschluss der feudalen Königreiche Kastilien und Aragon. Damals tobten allerdings immer noch militärische Auseinandersetzungen mit den Mauren, die zuvor jahrhundertelang den Süden der iberischen Halbinsel kontrolliert hatten. Der Versuch König Karls V., die feudalen Herrschaftsverhältnisse in eine absolute Monarchie und damit in beginnende bürgerliche Verhältnisse umzuwandeln, musste unter diesen Bedingungen scheitern. Wie Karl Marx schrieb, blieb Spanien »ein Konglomerat schlechtverwalteter Provinzen mit einem nominellen Herrscher an der Spitze. In den verschiedenen Provinzen nahm der Despotismus verschiedene Formen an, entsprechend der verschiedenen Art, in der königliche Statthalter und Gouverneure die allgemeinen Gesetze willkürlich auslegten«. Als nach dem Fall des letzten maurischen Fürstentums Granada in Südspanien zahlreiche beschäftigungslos gewordene Söldner ihre mörderische Tätigkeit nach Mittel- und Südamerika verlagerten, gingen die Eroberungen der Reiche der Azteken, Inkas, Mayas und Chibchas fast nahtlos sowohl in Bürgerkriege der Eroberer untereinander über als auch in Auseinandersetzungen zwischen ihnen und der sich nun auch in Übersee etablierenden königlich-spanischen Macht. Streitgegenstand waren dabei sowohl die von den Söldnerhaufen erbeuteten Edelmetalle wie auch die von den nun neuen Feudalherren kontrollierten Bergwerke und landwirtschaftlichen Nutzflächen. Süd- und Mittelamerika wurde demzufolge nach spanischer Inbesitznahme ein Hort permanenter Unzufriedenheit, des Aufruhrs, der Rebellion – durch unterworfene indigene Volksgruppen und aus Afrika gewaltsam verschleppten Sklaven wie auch von seiten nicht weniger Nachkommen der Eroberer.
Kette von Rebellionen
Die beginnende Epoche der bürgerlichen Revolutionen im Europa des ausgehenden 18. Jahrhunderts hatte ihre Entsprechung in einer Kette von Rebellionen, in denen sich die Bevölkerung der amerikanischen Kolonien gegen besonders absurde Reste der Feudalherrschaft auflehnte. Diese gingen allerdings auch einher mit Versuchen der bereits entwickelten frühkapitalistischen Mächte, sich die kolonial unterworfenen Territorien Südamerikas selbst einzuverleiben und auszuplündern. Mehrere Versuche britischer Truppen in den Jahren 1806 und 1807, das heutige Argentinien und Uruguay zu besetzen, scheiterten allerdings am Widerstand der Einheimischen. 1810 begann im heutigen Venezuela eine bewaffnete Rebellion gegen die königlich-spanische Kolonialadministration – wobei die Kette von Erhebungen hauptsächlich von Angehörigen der einheimischen Elite getragen wurde. Die grausamen Ausschreitungen der spanischen Regierungstruppen brachten allerdings auch weite Kreise der Bevölkerung auf die Seite der Unabhängigkeitsbewegung. Die Widerstandskraft der spanischen Armee wurde gebrochen, teils weil sich drei Viertel ihrer Armee aus Einheimischen zusammensetzten, die bei jedem Treffen zum Gegner überliefen, teils durch die grandiose Feigheit ihrer Generale, die bei jeder Gelegenheit ihre eigenen Truppen im Stich ließen.
Im Verlauf der Auseinandersetzungen mit spanischen Regierungstruppen sowie auch als Folge heftiger Machtkämpfe zwischen verschiedenen Verfechtern der Unabhängigkeit konnte sich im heutigen Venezuela, Kolumbien und Panama der aus einer Familie steinreicher Großgrundbesitzer stammende Simón Bolívar vorübergehend durchsetzen. Bolívars Diktatur artete aber – wie Marx schrieb – bald »in eine Militäranarchie aus, in der die wichtigsten Angelegenheiten den Händen von Favoriten überlassen blieben, die die Finanzen des Landes verschleuderten und dann zu widerwärtigen Mitteln griffen, um sie wieder in Ordnung zu bringen«.
Bolívars Traum
Zeitgleich befanden sich das heutige Argentinien, Chile und Uruguay unter Kontrolle von Verfechtern der Unabhängigkeit, die sich allerdings ebenfalls heftige Machtkämpfe lieferten. Das heutige Peru, das heutige Ecuador und das heutige Bolivien standen noch unter der Herrschaft Spaniens. Bolívar, der den Standpunkt vertrat, dass die Unabhängigkeit Südamerikas keinen Bestand haben könne, solange eine spanische Armee auf dem Kontinent aktiv sei, konnte nach einem Hilfeersuchen einheimischer Verfechter der Unabhängigkeit einen Angriff kolumbianischer Truppen auf das noch spanisch kontrollierte Gebiet veranlassen. Was Bolívar wirklich beabsichtigte, war die Vereinigung ganz Südamerikas zu einer föderativen Republik, deren Diktator er selbst sein wollte. Im Juli 1822 rückten jedenfalls kolumbianische Revolutionstruppen – hauptsächlich geführt von britischen Offizieren – siegreich in die Hauptstadt von Ecuador ein. Im Folgejahr griffen dann die Kämpfe auch auf Peru über. In der entscheidenden Schlacht auf der Hochebene von Ayacucho standen der spanischen Armee Revolutionstruppen aus Kolumbien und Peru gegenüber. Sie musste kapitulieren und all ihre verbliebenen Soldaten als Kriegsgefangene den Siegern übergeben.
Zur Gründung der von Bolívar erhofften föderativen Republik Südamerika kam es in der Folge allerdings nicht – die Oberschicht der neu gegründeten Republiken zerfleischte sich in Bürgerkriegen und in Kriegen untereinander. Während Bolívar seinen Träumen, eine halbe Welt an seinen Namen zu heften, vollen Spielraum gab, entglitt ihm die reale Macht rasch, und er konnte sie nur mittels äußerst repressiver Methoden behaupten. 1829 entging er nur knapp einem Mordanschlag. Unter Bolívars ehemaligem Kampfgefährten José Antonio Páez spaltete sich damals die Republik Venezuela von Kolumbien ab. Während eines Feldzuges gegen Paez starb Bolívar unerwartet. Durch Dekret des Kongresses von Neu-Granada wurden 1842 seine sterblichen Überreste nach Caracas überführt. Dort errichtete man ihm ein Denkmal.
Vorherrschaft endgültig gebrochen
Die zweite kolumbianische Division unter General Cordoba griff den linken Flügel der Spanier an und brachte ihn sogleich in Verwirrung. Die peruanische Division unter General La Mar stieß am linken Flügel auf hartnäckigeren Widerstand und konnte nicht vorrücken, solange die Reserven unter General Lara nicht herangekommen waren. Da der Feind nun überall zurückwich, wurde die Kavallerie zur Verfolgung eingesetzt, welche die spanische Reiterei zerstreute und die Niederlage der Infanterie vollkommen machte. Die Spanier hatten unter den Gefallenen sechs Generale und verloren insgesamt 2.600 Mann an Toten, Verwundeten und Gefangenen, unter den letzteren befand sich der Vizekönig. Die Verluste der Südamerikaner betrugen ein General und 308 Offiziere und Soldaten an Toten und 520 Verwundete, unter ihnen sechs Generale. Am nächsten Tage unterschrieb General Canterac, an den das Kommando der spanischen Armee übergegangen war, die Kapitulation, derzufolge nicht nur er und alle seine Truppen zu Kriegsgefangenen erklärt wurden, sondern auch alle spanischen Truppen in Peru, alle militärischen Einrichtungen, die Artillerie und die Magazine sowie ganz Peru, soweit es noch in den Händen der Spanier war (Cuzco, Arequipa, Puno, Quilca etc.), den Aufständischen übergeben werden mussten. Die Truppen, die somit als Kriegsgefangene übergeben wurden, beliefen sich insgesamt auf fast 12.000 Mann. Damit war die spanische Herrschaft endgültig gebrochen, und am 25. August 1825 proklamierte der Kongress von Chuquisaca die Unabhängigkeit der Republik Bolivien.
Karl Marx/Friedrich Engels: »Ayacucho« (MEW 14, S. 168 ff.)
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