Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 07.12.2024, Seite 3 (Beilage) / Wochenendbeilage

Alte Stärke

Von Arnold Schölzel
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Erstmals in seiner Geschichte hatte das Parlamentarische Kontroll­gremium des Bundestages, das die deutschen Geheimdienste kontrollieren soll, am 14. Oktober deren Chefs eingeladen. Die Kontrolle ist einer der Scherze, die sich die Demokratien westlichen Zuschnitts leisten. Nicht nur den Diensten ist egal, wer unter ihnen regiert, geheim bleibt geheim. Wozu sonst gibt es überhaupt einen Staat?

Die erste Einladung von Bundesnachrichtendienst (BND), Bundesamt für Verfassungsschutz und Militärischem Abschirmdienst (MAD) hatte gewichtige Gründe, die historisch genannt werden können. Jedenfalls vermeldeten alle drei eine »stetig wachsende Bedrohung durch Russland«. Als da wären: Löcher in Flughafenzäunen, Drohnen über Bundeswehr-Kasernen, brennende DHL-Pakete. Dafür haben sie amtlich den hübschen, aber unverständlichen Ausdruck »hybride Kriegsführung« ausgetüftelt. Der umfasst alles und jedes, ist unwiderlegbar und gilt für jeden Sack Reis oder Kokain, der im Hamburger Hafen umfällt. Dahinter steckt immer der Russe.

In dieser Offensive zur Erzeugung betreuter Raserei gegen Russland und dosierter Kriegshysterie kämpft einer ganz vorn mit. Er heißt Arndt Freytag von Loringhoven, war BND-Vizepräsident sowie beigeordneter NATO-Generalsekretär für Nachrichtenwesen und Sicherheit. Als er 2020 Botschafter in Polen werden sollte, verweigerte ihm Warschau sippenhaftungsmäßig mehrere Monate lang die Akkreditierung: Sein Vater verbrachte im Frühjahr 1945 die letzten Wochen des Nazireichs im Berliner Führerbunker als Generaladjutant. Anschließend »Organisation Gehlen«, BND, stellvertretender Generalinspekteur der Bundeswehr. Höhere deutsche Ämter bleiben Familienangelegenheiten.

Loringhoven hat die polnische Frechheit professionell weggesteckt und nun ein Buch geschrieben, das vom wirklich Wichtigen handelt: »Putins Angriff auf Deutschland. Desinformation, Propaganda, Cyberattacken«. Der Titel verspricht soviel Neues wie die Auskunft der drei Topspione am 14. Oktober. Am Freitag bestätigte Loringhoven das in einem Interview mit der Berliner Zeitung. Erster Satz: »Wir haben es zunächst mit einem hybriden Krieg zu tun, den Putin gegen Deutschland und den Westen führt.« Dieser Krieg greife »unsere Demokratie« sowie »den Zusammenhalt in unserem Land und der westlichen Bündnisse im Innersten an«. Werde aber »von uns kaum wahrgenommen«. Wie das mit hybriden Kriegen so ist.

Höchste Zeit für Alarm. Loringhoven scherzt, der NATO-Daseinsgrund sei immer Abschreckung gewesen, um einen Krieg zu verhindern – Kriege gegen Jugoslawien, Afghanistan, Irak, Libyen etc. hat es nie gegeben. Daher müssten »wir« angesichts der russischen Bedrohung »die alte Stärke wieder aufbauen«. Denn »hybride Angriffe«, die sich »häufen werden«, kommen der AfD und dem BSW zugute. Zwar sei die NATO mit ihrem gesamten Arsenal »Moskau weit überlegen«, aber ein Bündnis sei eben keine »Diktatur«. Der Geheimdienstmann will daher nach dem Vorbild Frankreichs und Schwedens eigene Agenturen haben, die der Regierung über Desinformation Bescheid geben: »Das sind ja keine Wahrheitsministerien oder Zensurbehörden.«

Die BRD hat zwar mit dem Verfassungsschutz so etwas seit langem, aber »die Schweden« haben dazu schon Broschüren an alle Haushalte zum hybriden Krieg verteilt, »von Notfallreserven bis hin zu einem kritischen Medienumgang«.

Das ist am Ende doch mal was, wovon sich der Verfassungsschutz eine Scheibe abschneiden kann: Leute, legt neben die Eintopfkonserven im Keller die Zeitungen, denen »wir« nicht trauen. Genauere Auskünfte erteilen die Dienste. Die wissen laut Loringhoven zwar nicht, von wo der Russe kommt, aber dass er längst unter »uns« ist, supergenau.

Leute, legt neben die Eintopfkonserven im Keller die Zeitungen, denen »wir« nicht trauen. Genauere Auskünfte erteilen die Dienste. Die wissen laut Loringhoven zwar nicht, von wo der Russe kommt, aber dass er längst unter »uns« ist, supergenau.

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (11. Dezember 2024 um 16:30 Uhr)
    Und ist es Ihnen schon aufgefallen? Die Tage werden immer kürzer und auch grauer noch dazu. Die düsteren Stunden häufen sich verdächtig. Das Licht dringt immer spärlicher durch die dunklen, schweren Wolken und allgemeine Depression erfasst bleischwer das ganze Land. Eine sich verdichtende Finsternis versperrt uns immer mehr die Sicht, erschwert uns klare Orientierung sowie Durchblick und lässt Weitblick schon so gut wie gar nicht mehr aufkommen. Der Grund? Die Sonne liefert immer weniger Energie. Skrupellos nutzt sie ihre Sonderstellung aus und richtet ihre Monopolmacht gegen den Westen, unseren freien freiheitlichen Westen! Blind hatten wir ihr vertraut und sind dabei immer stärker in ihre Abhängigkeit geraten. Dabei hätten wir es doch schon viel früher merken können, ja, müssen. Denn von wo hat sie sich immer wieder still und regelmäßig angeschlichen, sich unserer Lichtung der Freiheit und des Friedens penetrant und heimlich genähert? Genau! Von Osten! Und wer regiert eiskalt und despotisch im dunklen Osten? Genau! Putin! Dass wir diese für uns fatale Verbindung nicht schon viel früher bemerkt, diese Gefahr für unser Land, diese Bedrohung unser aller Freiheit nicht schon längst erkannt haben, dafür kann es nur eine schlüssige Erklärung geben: KI = Kommunistische Infiltration. Höchste Gefahr und damit allerhöchste Zeit, dass wir uns aus dieser totalen Abhängigkeit endlich befreien und uns heilsuchend nach Westen wenden, what ever it takes, denn wir brauchen – wie ja auch schon Goethe einst feststellte – dringend »mehr Licht«.

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