Crème brûlée
Von Maxi WunderHighlight, Highlight, ist das schön! Notre Dame wird wiedereröffnet – hach, mein Paris!« Udo positioniert sich mit Chipstüte und Bier vor dem Fernsehgerät. Auf meinen Platz legt er fünf Packungen Papiertaschentücher. »Was soll das denn?« frage ich pikiert. »Das soll, dass du nicht wieder alle Servietten vollheulst«, erklärt mir Roswitha. Ungerecht. Fünf Jahre seit dem Brand war ich in Schockstarre, flennen tue ich erst jetzt. Vor Erleichterung. Weil die verbrannten Balken von Notre Dame und die Dachabdeckung den Ökoprotesten zum Trotz mit dem Holz von 2.000 Eichen und echtem Blei restauriert wurden, »comme à l’époque«, wie der Franzose sagt. Mittelalterliche Gotik war halt nicht grün. »Wenn die ein Glasdach draufgemacht hätten wie auf den Berliner Reichstag, hättest du vor Wut geheult, stimmt’s?«, will Rossi wissen. – »Und wennschon!« – »Jetzt streitet euch nicht, Kinder«, lenkt Udo ein, »immerhin ist in Notre Dame niemand zu Tode gekommen wie in Rom unter Kaiser Nero.«
Udos Spagatsprung rückwärts in die Antike legt nahe, dass er Macron für fähig hält, eine Art heißen Abriss in Auftrag gegeben zu haben, um sein Image als Retter von Paris und Wohltäter der Nation aufzupolieren. Eine heiße Verschwörungstheorie, befeuert durch einige Fragen: Warum ist nach fünfeinhalb Jahren immer noch nicht die Brandursache geklärt? Der einzige Sicherheitsmann, der am 19. April 2019 an der sich in Renovierung befindlichen Kathedrale Wache hielt (behördliches Reglement sind zwei Feuerwehrleute), war mit dem Riesenbau nicht vertraut und durch Überstunden ausgelaugt. Dennoch: Warum benachrichtigte er erst nach 33 Minuten ab dem ersten Alarm die Pariser Feuerwehr? Warum hielt die nicht vor Ort das richtige Equipment vor, sondern musste es erst aus Schloss Versailles herbeiholen? Vom Brandalarm bis zum Beginn des Löscheinsatzes vergingen so zwei Stunden. Die Schlamperei hat Tradition: Schon in der Regierung Hollande ignorierte man die in einer besorgniserregenden Studie dargelegten Brandrisiken der Kathedrale, so der Autor Didier Rykner in seinem Buch »Notre Dame – eine Staatsaffäre«. Macron war seinerzeit ein sparbewusster Wirtschaftsminister. Überfällige Sicherheitsmaßnahmen im Dachstuhl wurden in seiner Amtszeit verschleppt oder unterlassen. Heute erntet er die Katastrophe, die er damals säte, und kann sich mit ihrer Bewältigung schmücken. Zur Wiedereröffnung sind handverlesene Gäste geladen wie Donald Trump und Selenskij, die Crème de la Crème brûlée:
500 ml Sahne mit dem Mark einer Vanilleschote erhitzen, dann abkühlen lassen. Fünf Eigelb mit 80 g Zucker und einer Prise Salz cremig rühren, dann langsam in die warme Sahne einrühren. Die Masse durch ein Sieb in Förmchen füllen. Förmchen in eine Auflaufform stellen, heißes Wasser angießen (bis zu 2/3 Höhe). Bei 150 °C (Ober-/Unterhitze) 45 bis 50 Minuten im Wasserbad backen, bis die Crème fest ist. Abkühlen lassen und mindestens vier Stunden kalt stellen. Vor dem Servieren braunen Zucker dünn und gleichmäßig aufstreuen. Mit dem Brenner karamellisieren, bis eine knusprige Kruste entsteht. Sofort servieren.
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