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Aus: Ausgabe vom 13.12.2024, Seite 11 / Feuilleton
Zeitgeschichte

Das Erbe von John Rabe

87 Jahre nach dem Massaker von Nanjing sendet die Stadt eine Botschaft des Friedens
Von Ping Fang
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Erinnerung an den »Guten Mann von Nanjing«: Führung im John Rabe Communication Centre in Beijing (2023)

Der deutsche Kaufmann John Rabe, der als »Oskar Schindler Chinas« bekannt geworden ist, wurde während des Massakers von Nanjing zum Helden. Von Dezember 1937 bis in den Januar 1938 ermordeten japanische Truppen in der damaligen chinesischen Hauptstadt über 300.000 Menschen, überwiegend Zivilisten. Der Geschäftsführer der örtlichen Siemens-Niederlassung Rabe und andere in der Stadt lebenden Ausländer retteten Tausende, indem sie eine Schutzzone einrichteten. (jW)

John Rabe rettete vor 87 Jahren während des Massakers von Nanjing mehr als 200.000 Zivilisten das Leben. In China gilt er bis heute als »Guter Mann von Nanjing«. Im vergangenen Monat hat Thomas Rabe, Enkel von John Rabe und Professor für Gynäkologie an der Universität Heidelberg, sein Buch »Rabe and China«, an dem er zehn Jahre lang gearbeitet hat, in Nanjing der Öffentlichkeit vorgestellt. Das Buch enthält einen detaillierten Bericht über John Rabes Lebensgeschichte, insbesondere darüber, was er während des Massakers von Nanjing gesehen und gehört hat.

»Berg und Tal kommen nicht zusammen, wohl aber die Menschen«, lautet ein chinesisches Sprichwort. Rabes China-Geschichte ist eine schwere und steht zugleich für eine tiefe Freundschaft. Im Jahr 2020, als die Covid-19-Pandemie wütete, bat sein Enkel Thomas Rabe China dringend um Hilfe. In der Folgezeit trafen aus China nach und nach Kisten mit Material zur Bekämpfung der Seuche in Deutschland ein. Eine jahrzehntelange Freundschaft voll gegenseitiger Hilfe berührt noch heute die Herzen vieler Menschen in beiden Ländern. Eine Delegation aus Dietfurt, dem »chinesischen Dorf in Deutschland« (und berühmt für seinen »Chinesenfasching«, jW), kam angeführt vom Dietfurter Bürgermeister im April dieses Jahres nach Nanjing. Nach dem Besuch der Gedenkhalle für die Opfer des Massakers sowie des ehemaligen Wohnsitzes von Rabe äußerten die Teilnehmer den Wunsch, dass mehr Menschen diesen Teil der Geschichte »sehen« könnten, um eine Botschaft des Friedens zu verbreiten.

Im kommenden Jahr jährt sich der Sieg der antifaschistischen Kräfte im Zweiten Weltkrieg zum 80. Mal. Vor 87 Jahren, am 13. Dezember, wurde Nanjing von der faschistischen japanischen Armee eingenommen und von dieser in den folgenden sechs Wochen in eine Hölle auf Erden verwandelt. Mehr als 300.000 Zivilisten und Kriegsgefangene wurden in einem organisierten Massaker von den japanischen Truppen niedergemetzelt. Im Oktober 2015 wurden Dokumente des Massakers von Nanjing ins Weltdokumentenerbe aufgenommen. Seit mehr als 80 Jahren ist das wechselvolle Schicksal der Stadt ein Beweis für die Kostbarkeit des Friedens und ein Zeugnis für Chinas Entschlossenheit und Überzeugung, den Weltfrieden zu verteidigen.

Einst vom Krieg zerstört, jetzt im Glanz des Friedens: Am 4. September 2017 wurde Nanjing zur ersten Internationalen Friedensstadt Chinas ernannt. Diese Entscheidung wurde von der Internationalen Vereinigung der Städte für den Frieden weltweit bekannt gemacht. Um sich besser an die Geschichte zu erinnern und den Frieden zu pflegen, hat sich Nanjing in den vergangenen Jahren aktiv für Friedenserziehung und Kulturvermittlung eingesetzt. Im Jahr 2017 wurde in Frankfurt am Main eine große Ausstellung mit Artefakten des Massakers von Nanjing und Zeitzeugenberichten gezeigt. 2019 wurde das Tagebuch von John Rabe, das er während des Massakers von Nanjing führte, von dem chinesischen Komponisten Tang Jianping als Oper adaptiert. »Die Tagebücher von John Rabe« wurden zum Auftakt einer Europatournee an der Berliner Staatsoper aufgeführt. Seit 2020 haben die Stadt Nanjing und die UNESCO gemeinsam drei Nanjing-Friedensforen organisiert, an denen rund 1.000 Experten, Wissenschaftler und Jugendvertreter aus fast 50 Ländern und Regionen teilgenommen haben. 2023 wird die Ausstellung »Gedächtnis der Welt, Vision des Friedens: Historische Fakten über das Massaker von Nanjing« in Madrid und Budapest gezeigt.

»Clang, clang, clang …« Die Glocke in der Gedenkhalle für die Opfer des Nanjing-Massakers der japanischen Invasionsarmee läutet jeden Tag pünktlich. Ihr Geläut erinnert uns an die Geschichte und an die Aufgabe, eine Welt mit dauerhaftem Frieden und gemeinsamem Wohlstand zu schaffen.

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