»Streichplanphantasien«
Von Ralf WurzbacherParallel zur vierten Tarifrunde bei Volkswagen legten am Montag erneut Zehntausende VW-Werktätige für mehrere Stunden ihre Arbeit nieder. Mittags sollen allein in Wolfsburg rund 38.000 Mitarbeiter gestreikt haben, wie die Industriegewerkschaft Metall (IGM) in einer Pressemitteilung am Montag berichtete. Nach IGM-Angaben waren alle deutschen Standorte, abgesehen von dem in Osnabrück, Schauplatz von Warnstreikmaßnahmen. Die Aktionen richteten sich auf die am Mittag in Wolfsburg fortgesetzten Verhandlungen zwischen Beschäftigten- und Konzernvertretern, die bei den vorigen drei Terminen ergebnislos geblieben waren. Knackpunkte: der vom Management geplante Kahlschlag bei Löhnen und Arbeitsplätzen sowie mögliche Werksschließungen. In welcher Größenordnung und wo genau Jobs vernichtet werden sollen, ist seit der vagen Ankündigung im September weiterhin offen.
Die anhaltende Hängepartie empört Bernd Riexinger, den verkehrspolitischen Sprecher der Gruppe Die Linke im Bundestag, dem insbesondere die Rolle von Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil (SPD) missfällt. Der solle »sich endlich klar auf die Seite der Beschäftigten, des Betriebsrates und der IG Metall stellen«, erklärte er gestern per Medienmitteilung. »Es ist unverantwortlich, sich auf Appelle an die Tarifpartner zu beschränken. Muss man ihn ernsthaft daran erinnern, dass er Mitglied des Aufsichtsrats von VW ist – mit einer Sperrminorität im Rücken – und nicht Zuschauer von der Seitenlinie?« In der Pflicht sieht Riexinger zudem den Bundeskanzler. »VW und die gesamte Automobilbranche brauchen eine Zukunftsperspektive und eine klare Strategie für die anstehende Transformation.«
Man wolle in puncto Arbeitskampf kräftig draufsatteln und so den Druck am Verhandlungstisch erhöhen, hatte sich im Vorfeld des zweiten großen Warnstreiks innerhalb von acht Tagen IGM-Verhandlungsführer Thorsten Gröger geäußert. Am 2. Dezember waren laut IG Metall bereits bundesweit fast 100.000 Beschäftigte für zwei Stunden in den Ausstand getreten. Die Gewerkschaft tritt für den Erhalt aller Standorte und eine Jobgarantie für die rund 130.000 VW-Angestellten ein. Noch mehr Öl ins Feuer hatte in der Vorwoche CEO Oliver Blume bei einer Betriebsversammlung gegossen, bei der er das Unternehmen als »Sanierungsfall« und die Mitarbeiter als »zu teuer« bezeichnete. Zugleich will VW aber an seiner Linie festhalten, 30 Prozent des Nettogewinns an die Aktionäre auszuschütten. Diese Doppelstandards erzürnen die Menschen. Es grenze an Hohn, wenn der Konzernboss »sich vor die Belegschaft stellt und ihr ›schöne Weihnachtstage‹ wünscht, während der VW-Vorstand zeitgleich den Beschäftigten am liebsten Kündigungsschreiben unter den Weihnachtsbaum legen will«, befand Gröger in einer Mitteilung.
Betroffen vom Arbeitskampf waren neben dem Stammwerk abermals Zwickau, Hannover, Emden, Kassel-Baunatal, Braunschweig, Salzgitter, Chemnitz sowie die »Gläserne Manufaktur«, eine kleine Fabrik in Dresden, der wie anderen Standorten die Abwicklung droht. Der Ausstand zog sich durch sämtliche Schichten, wobei die Beschäftigten ihre Arbeit jeweils vier Stunden früher beendeten. Andauern sollte die Aktion bis zum Abschluss der Nachtschicht am Dienstag morgen. »Wir werden dem Vorstand klarmachen, dass dessen Streichplanphantasien genau das bleiben werden: Phantasien«, bekräftigte bei einer Kundgebung vor dem Wolfsburger VW-Stammwerk am Vormittag Gesamtbetriebsratschefin Daniela Cavallo. Wortstark zeigte sich außerdem Christiane Benner, Erste IGM-Vorsitzende. »Der Fisch stinkt immer vom Kopf her! Hier in Wolfsburg riecht es eindeutig aus dem Hochhaus hier direkt neben dem Werk sehr, sehr streng.«
Linke-Politiker Riexinger pocht auf Verzicht auf seiten der Profiteure. Zuerst müsse auf die Dividende, die Spitzengehälter und die milliardenschweren Rücklagen – »allein mehr als 140 Milliarden Euro« – zurückgegriffen werden. In einem Positionspapier zur Zukunftssicherung plädiert er ferner dafür, die Produktion von Elektroautos mit einem öffentlichen Beschaffungsprozess anzukurbeln, wofür die Autobauer im Gegenzug ein bezahlbares E-Auto zum Preis von maximal 20.000 Euro auf den Markt bringen müssten.
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Leserbrief von Peter Balluff aus Vöhl (10. Dezember 2024 um 15:55 Uhr)»Es stinkt nicht nur in Wolfsburg, vielleicht demnächst auch in Frankfurt …« Na, da hat aber Frau Benner als IG Metall Vorsitzende ordentlich auf die »Kacke« gehauen, als sie auf der Kundgebung in Wolfsburg vor der VW Zentrale verkündete: »Der Fisch stinkt immer vom Kopf her! Hier in Wolfsburg riecht es eindeutig aus dem Hochhaus hier direkt neben dem Werk sehr, sehr streng.« Gut, sie hat das vom Papier abgelesen, in der »Tagesschau« deutlich zu sehen, und das hat wohl auch ein Ghostwriter in der IG Metall Zentrale in Frankfurt am Main für sie geschrieben (dafür erhält er gerade eine Abmahnung des Vorstands und wird in die Postabteilung versetzt), auf das Management zu schimpfen geht immer (sind übrigens auch »Angestellte« wie »du, Frau Benner und ich«, zwar »leit(d)end«, wie du, Frau Benner, aber durchaus auch kündbar), aber vielleicht mal die Enteignung von Porsche und Piech zu fordern und die Quandts bei BMW gleich mit, das sollte und wollte Frau sich nicht erlauben, denn schließlich trifft Frau und Mann sich noch in den Talkshows bei Maischberger, Illner und den anderen »Knalltüten« zur Verdummung der arbeitenden Bevölkerung, auf dem Bundespresseball und bei Herrn Steinmeier zum Neujahrsfrühstück auf Schloss Bellevue und da sollte das Verhältnis doch entspannt sein. Aber wenn’s zum Abschluss eine Nullrunde auf drei Jahre gibt, die Aushilfen werden eh rausgeschmissen und dazu noch 2500 Festangestellte in den Werken, bei Schließung von zwei Werken europaweit, dann stinkt’s nicht nur in Wolfsburg, sondern auch in Frankfurt am Main. Mal schauen, was Frau Benner dazu meint.
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