In den Hinterhalt gelockt
Von Nick BraunsIm Norden Syriens dauerten die am Wochenende entbrannten heftigen Gefechte um die Stadt Manbidsch an. Die Kämpfe zwischen der »Syrische Nationalarmee« (SNA) und den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDK) konzentrierten sich auf das Stadtzentrum sowie Dörfer im nördlichen, westlichen und südlichen Umland von Manbidsch. Bei der angreifenden SNA handelt es sich anders, als es der Name suggeriert, um eine direkt von der Türkei geführte Söldnerformation aus dschihadistischen Gruppen unter Einschluss ehemaliger Kämpfer des »Islamischen Staates« (IS). So zeigen Videos, die von SNA-Mitgliedern am Sonntag selbst verbreitet wurden, diese Söldner beim Abtransport von verschleppten weiblichen Mitgliedern der Polizeimiliz von Manbidsch. Die verängstigten Araberinnen werden wie eine Kriegsbeute von den »Gotteskriegern« präsentiert.
Die Offensive auf die westlich des Euphrat gelegene Stadt kommt für den an die SDK angeschlossenen, mehrheitlich arabischen Militärrat von Manbidsch nicht überraschend. Denn Einmarschdrohungen und sporadische Angriffe der türkischen Armee und ihrer Söldner dauerten an, seitdem die SDK die mehrheitlich von Arabern bewohnte Stadt 2016 aus der Herrschaft des »Islamischen Staates« befreit hatten. Entsprechend hatten sich die Verteidiger mit Kriegstunneln und Sprengfallen im Stadtgebiet vorbereitet. Am Montag vormittag von der amtlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu verbreitete Meldungen, wonach die SNA Manbidsch eingenommen habe, erwiesen sich so als Falschbehauptungen im Rahmen psychologischer Kriegführung. Vielmehr erlitt die SNA schwere Verluste mit möglicherweise mehreren hundert Toten und Verwundeten, wie aus Kreisen des Militärrates gemeldet wurde.
So griffen die SDK zur Guerillataktik, indem sie die Söldner in der Stadt in Hinterhalte lockten, um sie dort von allen Seiten – auch aus der Luft mit Drohnen – anzugreifen. Aufnahmen zeigen Straßenzüge mit zahlreichen Leichen getöteter SNA-Kämpfer. Zur Unterstützung der SNA flog die türkische Armee Luftangriffe unter anderem auf das Stadtratsgebäude von Manbidsch. Bei einem Drohnenangriff auf ein Dorf in der Nähe der Stadt Ain Issa östlich des Euphrat wurden in der Nacht auf Montag mindestens elf Zivilisten, darunter viele Kinder, getötet.
Derweil sehen sich die SDK in der ostsyrischen Region Deir Al-Sor mit einer erneuten Revolte örtlicher Stämme konfrontiert. Ende vergangener Woche waren die SDK, die bislang bereits die Provinz östlich des Euphrat kontrollierten, auch in die von syrischen Regierungstruppen aufgegebenen Orte am Westufer eingerückt. So solle verhindert werden, dass der »Islamische Staat« wieder Kontrolle erlangen kann, begründeten die SDK dies. Doch in Al-Bukamal, Al-Majadin und anderen Städten erhoben sich am Montag die konservativen arabischen Stämme und forderten in teils militanten Protesten den vollständigen Abzug der SDK.
An zwei Fronten unter Druck geraten, ist fraglich, wie lange die SDK sich noch westlich des Euphrat halten werden. Denn von den im Kampf gegen den IS verbündeten US-Truppen können sie keine Unterstützung gegen den NATO-Partner Türkei erwarten. Dafür versucht nun die israelische Regierung, sich als neuer Patron der Kurden zu inszenieren. Die Kurden seien eine stabilisierende Kraft und bräuchten Schutz, forderte Israels Außenminister Gideon Saar am Montag auf einer Pressekonferenz. Dass daraus auch Taten folgen, ist unwahrscheinlich. Denn Israel wird es kaum für die Kurden auf eine militärische Auseinandersetzung mit der Türkei ankommen lassen, über die das Land immer noch den Großteil seines Rohölbedarfs bezieht.
Gerüchte, wonach es bereits ein Treffen der SDK mit israelischen Vertretern gegeben habe, wies der Kovorsitzende der in Nordsyrien führenden kurdischen Partei der demokratischen Union (PYD), Salih Muslim, am Sonntag in einem Onlinediskussionsforum der kurdischen Zeitung Yeni Yaşam zurück. Solche Erzählungen dienten nur dazu, die Kurden gegen andere Bevölkerungsgruppen auszuspielen, warnte Muslim. Seine Bewegung verteidige die Zugehörigkeit der Juden zum Nahen Osten, lehne aber den Zionismus ab.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (11. Dezember 2024 um 14:03 Uhr)Israeliche Unterstützung für Kurden ist aus meiner Sicht nicht »inszeniert« sondern hat durchaus Tradition, vgl. www.jungewelt.de/artikel/224646.waffenhilfe-von-den-wahren-freunden.html. Die nicht so ganz offene kurdisch-israelische Achse dürfte einer der Gründe für die USA gewesen sein, dem faktischen kurdischen Autonomiegebiet in Syrien möglichst viel Grenzgebiete zum Irak zuzuschlagen, um die Nachschublinien aus dem Iran Richtung Syrien und Libanon unterbrechen zu können. Dass die dortigen arabischen Stämme mit kurdischer Oberhoheit nicht mit einverstanden sind, muss da offenbar zurückstehen.
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