Prenzlauer Berg bleibt Dynamoland
Von Andreas GläserLetzten Freitag war ich zum ungefähr vorletzten Mal im Hoolywood, in dieser Institution für zeitlose englische Bekleidungsmarken und Stadtbezirks-Nickis, wie sie gerne von Fußballrabauken getragen werden. Leider wird der Laden in der Berliner Schönhauser Allee 44 zum Jahresende schließen, nachdem er dort seit 33 Jahren zum Straßenbild gehört. Die Miete soll schon wieder steigen, doch irgendwann ist für Sven, den Betreiber, auch mal Schluss – zumal dieser Kiez im Prenzlauer Berg nur teurer und öder wird. Das ist nichts für Sven, der auch auf seine alten Tage noch zu schrägen Terminen kommt, die etwas Kondition verlangen: anstrengende Konzerte, gewagte Demos. Er macht schließlich Sport und ist trotz seiner 60 Lenze rank und schlank. Langeweile ist tödlich.
Wir kennen uns seit 25 Jahren. Unvergessen sind neben einigen Fußballausflügen auch das gemeinsame Mitwirken am Theaterstück »Dynamoland« in der Lichtenberger Parkaue, damals, 2007. Hoolywood war bis vor einigen Jahren für viele Fans ein traditioneller Anlaufpunkt, bevor sie in den Jahn-Sportpark weiterzogen. Der Laden, der einst aus der Hooligankultur entstanden war, galt lange als anrüchig. Schnittige Obertrikotagen und schweres Schuhwerk anzubieten, galt als zu verstrahlt. Irgendwann schrieb sich Sven den Antirassismus auf die Fahnen, womit sich das Publikum teilweise veränderte. Das Geschäft florierte mehr über das Internet als über die Laufkundschaft. Sven und ich haben manchmal zur besten Geschäftszeit im leeren Laden gesessen und Kaffee getrunken. Und wenn der RBB einen auf Kuschel-TV machte und 300 Geschäfte der Schönhauser Allee vorstellte, war sein Laden wieder nicht dabei.
Gut besucht waren die unregelmäßig veranstalteten Lesungen, unter anderem mit Autoren, die man auch aus dieser Zeitung kennt. Fesche Seniorenautoren, deren Werke sich die wenigsten Menschen zu Weihnachten schenken. Vor dem Laden feierte man manch einen Geburtstag, woraus sich vereinsübergreifende Stelldicheins ergaben. Während der heißen Monate wurde vor dem Geschäft eine Kinderplansche aufgeblasen und gefüllt, der sogenannte Hool-Pool. Der Laden war nahezu ein familiärer Treffpunkt, kein sozialer Brennpunkt.
Nun muss also alles raus. Immerhin fällt der Ausverkauf zwischen dem letzten Geldtag und dem nächsten Jahresendfasching und ist nicht während der Sommerurlaubswochen. An Silvester gibt es wohl eine Abrissparty, bei der sich bestimmt auch Feiertagsverweigerer wie ich sehen lassen. Sven sucht derzeit eine Gewerbefläche am anderen Stadtbezirksende, möglichst in der Nähe des Thälmann-Denkmals, wo er mit seinen Marxismus-Hooliganismus-Nickis hinpasst. 2025 zieht in die Schönhauser 44 ein Laden, über den irgendein Influencer so lange palavern wird, bis er brummt.
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