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Aus: Ausgabe vom 12.12.2024, Seite 5 / Inland
Wahlkampf

Bratwurst-Olaf verspricht Entlastung

Bundeskanzler Scholz schlägt Mehrwertsteuersenkung vor. Ein schwaches Wahlkampfmanöver
Von Max Ongsiek
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Die angepriesene Mehrwertsteuersenkung würde Lebensmittel nur um wenige Cent vergünstigen. Ein Tropfen auf den heißen Stein

Die vorgezogene Bundestagswahl steht vor der Tür. Und da Bundeskanzler Olaf Scholz auf der Kanzlerschaft beharrt, stellt sich für ihn die Frage, wie er im Regierungssattel bleiben kann, ohne vom Pferd zu fallen. Entsprechend versucht der Nochregierungschef sich den potentiellen Wählern wie Sauerbier anzubieten. Im Tagesschau-Gespräch mit Jessy Wellmer am Dienstag abend wirkt er allerdings auffällig defensiv und rechtfertigend. Ihre Anfangsfrage war seinem Auftritt auf der Ford-Betriebsversammlung gleichentags gewidmet: »Welchen Olaf haben Sie denn heute rausgelassen? Den kämpferischen, den wilden, oder den Bratwurst-Olaf?« Der Kanzler ist zerknirscht, aber versucht, das Heft in der Hand zu behalten. Es folgt ein Stakkato an: »Was habe ich nicht alles toll gemacht als Kanzler« und »Was werde ich alles toll machen als Kanzler, wenn ich denn gewählt werde«. Entsprechend verkauft er das kommende Misstrauensvotum auch nicht als Niederlage, sondern als Wählergeschenk: »Das wir jetzt die Bürgerinnen und Bürger in die Lage versetzen müssen, über den Weg, den Deutschland gehen soll, zu entscheiden.«

Damit die Leute mit ihm gehen, brauchen sie Gründe. Eine könnte nach Scholz’ Dafürhalten eine geringere Mehrwertsteuer sein. Im Interview schlägt er die Senkung der Lebensmittelmehrwertsteuer von sieben auf fünf Prozent vor, damit »die, die jeden Tag einkaufen« und »genau rechnen müssen« finanziell entlastet werden. »Das würde ganz vielen, die wenig Geld verdienen, helfen.« Dass diese »Entlastung« reines Wahlkampfmanöver ist, rechnet die Springer-Bild sogleich durch. So würden 250 Gramm Butter, die aktuell 2,39 Euro kosten, bei fünf Prozent Mehrwertsteuer, auf 2,35 Euro »vergünstigt«, also vier Cent Ersparnis. Und dann spielt auch keine Rolle, dass das »für den Bundeshaushalt keine übermäßige Belastung« wäre. Auch der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland, Stefan Genth, der die Mehrwertsteuersenkung erwartungsgemäß ablehnt, argumentierte gegenüber Ntv.de, die Maßnahme wäre für den Staat »mit beträchtlichen Kosten verbunden«. Er betonte statt dessen: »Absenkungen der Mehrwertsteuer sind Entlastungen mit der Gießkanne. Das ist nicht zielgenau.«

Entsprechend hämisch kommentierte Ines Schwerdtner, Koparteivorsitzende der Partei Die Linke auf X: »Ich bin alt genug, um mich daran zu erinnern, dass die SPD 2005 die Mehrwertsteuer senken wollte, nur um sie dann mit der CDU um drei Prozent zu erhöhen.« Tatsächlich lehnten die Sozialdemokraten 2005 vehement eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab. Allerdings einigte sich die große Koalition 2006 auf eine sogenannte Regelsatzsteigerung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte, also von 16 Prozent auf 19 Prozent, die im Übrigen bis heute gültig ist.

Deshalb wundert es nicht, dass die Union den Scholz-Vorschlag scharf ablehnt. So betonte der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thorsten Frei, am Mittwoch gegenüber den Sendern RTL und NTV: Scholz habe »keinen Haushalt für das kommende Jahr«. Insofern stelle sich die Frage, wie er die Mehrwertsteuersenkung denn eigentlich finanzieren möchte. »Das ist die Fortsetzung rot-grüner Haushalts- und Finanzpolitik, nämlich alles auf Pump und zu Lasten künftiger Generationen zu machen.«

Von Scholz’ Versprechungen hält Christian Görke von der Linken wenig. »Der Vorschlag von Olaf Scholz ist gut, aber noch besser wären null statt fünf Prozent Steuersatz«, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der Gruppe seiner Partei im Bundestag gegenüber jW. »So hat es Spanien auch gemacht – allerdings schon vor zwei Jahren – und so erlaubt es das EU-Recht. Wir Linken fordern das seit Sommer 2022 und haben das im Bundestag zur Abstimmung gestellt, die SPD war dagegen.« Olaf Scholz warme Worte sind am Ende nur Theaterdonner.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (11. Dezember 2024 um 21:50 Uhr)
    »Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab!« Das gilt für alle WählerInnen, auch für Olaf.

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