Gegründet 1947 Sa. / So., 11. / 12. Januar 2025, Nr. 9
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 12.12.2024, Seite 8 / Ansichten

Sepps Gesetz

FIFA-WMs an Saudis und Staatenbund
Von Felix Bartels
SOCCER-WORDLCUP-2034.JPG
Modell des geplanten Aramco-Stadions in Riad für die WM 2034 in Saudi-Arabien

Als wahnsinnig gilt, wer aus der Normalität fällt. Der Wahnsinn der FIFA indessen besteht darin, die Normalität der Welt treulich abzubilden. Es ist bloß, wie es ist, hier aber ganz frei von Scham. Am Mittwoch vollzog man im Rahmen eines virtuellen Kongresses die höchst reale Vergabe der Fußball-WMs 2030 und 2034. Es setzten sich durch: die Favoriten. Weil es genau null Konkurrenz gab.

Gastgeber 2034 wird Saudi-Arabien. Das Turnier 2030 soll eine Gruppe von Ländern ausrichten: Spanien, Portugal und Marokko nebst Uruguay, Paraguay und Argentinien. Die Idee, ein Turnier über den Globus zu streuen, scheint fast noch absurder als der Zuschlag für ein Land, das eigentlich alles, was gegen die Menschheit spricht, in sich konserviert. Die Kritik in westlichen Industrieländern bleibt dennoch scheinheilig. Als die WM 1994 in den USA stattfand, hat niemand die weltweiten Opfer amerikanischer Interventionspolitik gezählt. Im Jahr 2000, als die Bundesrepublik den Zuschlag für 2006 erhielt, hatte die Bundeswehr gerade ihren Beitrag geleistet, den Restbestand Jugoslawiens vermittels Bomben zu erziehen. Das letale Walten des Frontex-Regimes ist heute so sehr Normalität geworden, dass es nicht mal mehr ignoriert wird, und zur Stunde setzen die transatlantischen Staaten alles daran, den von Russland begonnenen Krieg in der Ukraine nicht enden zu lassen. Auf die Zustände in Saudi-Arabien blickt man derweil halbherzig, zu groß ist die strategische Bedeutung des Königreichs im Nahen Osten. Bauchschmerzen überlässt man den Feuilletonisten und bemüht die Moral, die man bei Riad einspart, bequemerweise gegen Moskau. Dort nämlich sitzt keiner mehr, mit dem man es sich noch verscherzen könnte. Bündnislagen dominieren über wertegeleitetes Handeln. Es gibt immer zwei Politiken – eine, die man macht, und eine, die man den Leuten vorm Einschlafen erzählt.

Was unter keinen Umständen fehlen darf, sind Hilfsköche, die aus dem vergammelten Fisch von gestern die Suppe für heute kochen. »Der Fußball gehört nicht nur dem Westen, sondern eben auch dem sogenannten Globalen Süden«, verriet der Islamwissenschaftler Sebastian Sons der dpa vor der Vergabe. Auch mit Fußball kennt er sich aus: Saudi-Arabien sei ein »wichtiges Fußball-Land«. Erfunden hat diese Art postkolonialen Populismus übrigens Sepp Blatter, zur Durchsetzung seiner Geschäftsinteressen. Das System Blatter aber ist – Reformen hin, Aufarbeitung her – das System FIFA. Korruption als Normalität und Kleine-Leute-Populismus als Verschleierung von Top-down-Herrschaft sind bedingt durch das One-state-one-vote-Prinzip des Kongresses, aus dem das Exekutivkomitee hervorgeht. Die zahlenmäßig überlegenen Halbmächte schließen sich zusammen. Nicht, um den Wahnsinn zu beenden, sondern um anstelle der größeren zu siegen.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (12. Dezember 2024 um 10:09 Uhr)
    Das System FIFA – die Krönung steuerlicher Eleganz. Oh, wie herrlich unanständig erfolgreich kann man nur sein! Die FIFA, diese brillante Institution ohne einen Hauch von Scham, setzt Maßstäbe in der Kunst, Gewinne zu maximieren. Selbst die Elite der Wall Street – von Hedgefonds-Magnaten bis zu Großinvestoren an der New Yorker Börse – kann nur blass vor Neid zusehen, wie hier der Dollar in Strömen fließt. Ein solches Geschäftsmodell könnte höchstens die Waffenindustrie noch toppen. In ihrer aktuellen Vierjahresertragsperiode hat die FIFA schwindelerregende 5,66 Milliarden Dollar erwirtschaftet – aus Fußball, dem Sport der Herzen – und der prall gefüllten Kassen. Ein steuerliches Märchen. Ein Paradebeispiel des FIFA-Zaubers war die WM 2006 in Deutschland. Für diese Großveranstaltung forderte und erhielt die FIFA – Trommelwirbel! – eine vollständige Steuerbefreiung. Ja, liebe Bürgerinnen und Bürger, während Sie brav Ihre Einkommenssteuer entrichten, durfte die FIFA den Rubel rollen lassen, ohne auch nur einen Cent abzugeben. Von 2003 bis 2006 erzielte diese Wohltätigkeitsorganisation – pardon, gemeinnützige Organisation – bei Einnahmen von 3,328 Milliarden Franken einen Gewinn von 816 Millionen Franken. Und wie viel Steuern zahlte sie? Lächerliche 1,06 Millionen Franken. Rekorde, die Geschichte schreiben Zwischen 2011 und 2014 knackte die FIFA die nächste Marke: 5,718 Milliarden Dollar Einnahmen, mit einem verbleibenden Gewinn von 338 Millionen Dollar. Im Jahr 2014 besaß diese wundervolle Institution stolze 1,523 Milliarden Dollar Kapital. Doch nicht etwa alles bleibt in den Tiefen der FIFA-Bücher: 70 % der Einnahmen fließen zurück in den Fußball, wie großzügig! Der Rest, abzüglich Fixkosten und – äh – »Nebenausgaben« (manche würden es Bestechungsgelder nennen), verschwindet in den Taschen der Topmanager, wo es sich zweifellos wohler fühlt als in irgendeiner Staatskasse.

Ähnliche:

  • Ob die Ränge im Dezember 2022 leer bleiben werden? Wohl kaum. Im...
    26.03.2022

    Katar boykottieren! Und die WM ’26?

    Kriegspolitik als Leerstelle der »Boycott Qatar«-Kampagne. Oder: Was machen wir eigentlich mit der Weltmeisterschaft 2026 in den USA, Kanada und Mexiko?
  • Katar ist ein wichtiger Sponsor des FC Bayern München – auch in ...
    18.12.2018

    Wüste Kicker

    In vier Jahren findet in Katar die Endrunde der Fußball-WM statt. Deutsche Unternehmen haben schon jetzt gewonnen. Meldungen über schlechte Arbeitsbedingungen und die Unterstützung von Dschihadisten passen jedoch nicht ins Bild
  • Kampf um Sportevents: FIFA-Chef Gianni Infantino (l.) trifft sau...
    16.08.2018

    Al-Dschasira wird beklaut

    Sport als Kriegsinstrument: Konflikt mit Saudi-Arabien trifft katarischen Sender besonders empfindlich

Mehr aus: Ansichten