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Aus: Ausgabe vom 12.12.2024, Seite 10 / Feuilleton
Anything grows

Der Stolz des Mannes (und anderer Geschlechter): Bartwuchs

Von Marc Hieronimus
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Auch nur ein haariger alter weißer Mann mit komischem Humor: Der Santa Claus

Die Beobachtung, dass in der Natur nichts ohne Sinn geschieht, hat sich so oft bestätigt, dass wir heute allem, was Tiere tun oder an Merkmalen mit sich herumtragen, ein Wozu unterstellen. Warum also – denn Zufall gilt nicht – hat der nackte Langnasenaffe Mensch jene auffälligen Fellreste auf dem Kopf? Mythologisch ist Haarwuchs oft mit besonderer Kraft in Verbindung gebracht worden. Samson – nicht der »Uiuiui, Tiffy«-Bär aus der Sesamstraße, der echte, aus dem Buch der Richter – hatte übermenschliche Kraft, bis die Philister ihm die Haare schoren.

Auch Bärten wurde schon Magisches unterstellt. Der von König Rotbart/Barbarossa, der seit seinem Badeunfall 1190 im Kyffhäuser schläft, ist nach Friedrich Rückert »… nicht von Flachse / Er ist von Feuersglut / Ist durch den Tisch gewachsen / Worauf sein Haupt ausruht«. Die berühmte Gesichtsbehaarung wuchert also durch oder um einen Steintisch. Dreimal rum und es kommt das Ende der Welt (und dann eine neue, bessere). Eine schöne Vorstellung, wenn man bedenkt, dass auch Marx und Engels rauschige Bärte hatten. Freilich auch Darwin, Tolstoi und eine Reihe weiterer alter weißer Männer. Kinn- und Backenlanghaar ist also weder das Privileg der Islamisten noch deren Erfindung: »Du sollst deinen Bart nicht stutzen« steht schon im Levitikus (19,27).

Biologisch ist das Borstenkleid neben Sonnenschutz und Popelbremse wohl vor allem ein Ort, sich zu schmücken und Sexualpartnerinnen anzuwerben. Also »Anything grows«, wie ein Essayband zu Gesichtsmoden heißt? Es gab bartmäßig ja wirklich schon alles. In den wuscheligen frühen Siebzigern hatte jeder, in den blankrasierten späten und frühen Achtzigern nur Peter Hook von Joy Division/New Order Fell unter der Nase. Dann war der Dreitagebart modern. Nach dem Aussterben der Barbiere prägten sogenannte Barber Shops plötzlich das Bild der Innenstädte, sogar der Schnubi ging wieder. Und mit dem neuen SBGG können sich jetzt auch Frauen und Diverse einen sprießen lassen: endlich Bartwuchs für alle!

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