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Aus: Ausgabe vom 12.12.2024, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft
Protest schweizer Stahlarbeiter

Stahlwerk gerettet, Arbeitsplätze noch nicht

Schweizer Nationalrat will Stahlindustrie stützen. Gewerkschaft fordert Abkehr von Entlassungsplänen
Von Kim Nowak
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»Massenentlassungen müssen jetzt vom Tisch«: Der Kampf der Gerlafinger ist noch nicht vorbei

Arbeitskampf nützt auch den Unternehmen, wie sich jüngst im Kanton Solothurn in der Schweiz zeigte. Seit Monaten ist die Existenz des Stahlwerks Gerlafingen, das sich auf Profil- und Betonstahl spezialisiert hat, bedroht. Hunderte Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel, sollte das Unternehmen abgewickelt werden. Begründet wird die Arbeitsplatzvernichtung mit hohen EU-Zöllen und Energiepreisen, die die Wettbewerbsfähigkeit der Stahlwerke beeinträchtigen sollen. Nun kommt jedoch Bewegung ins Spiel. Nach Protesten der Stahlarbeiter, vor allem in Bern, Emmendingen und Gerlafingen, befasst sich der Nationalrat mit dem Anliegen. Am Dienstag wurde bekannt: Man wolle die Stahlwerke, darunter auch den Stahlkonzern Swiss Steel Holding, retten.

Der Nationalrat ist die große Kammer im Schweizer Parlament, der zusammen mit dem Ständerat die Bundesversammlung bildet. Im ersten hält die Fraktion der Schweizerischen Volkspartei (SVP) mit 67 von 200 Sitzen die Mehrheit; im zweiten ist es die Fraktion der christdemokratischen »Mitte« mit 15 von 46 Sitzen. Das als »Lex Gerlafingen« bezeichnete Rettungspaket wurde jedoch über die politischen Grenzen hinweg verabschiedet. Federführend sind Nationalrat Christian Imark (SVP), Ständerat Pirmin Bischof (Mitte) und der sozialdemokratische Nationalrat Roger Nordmann.

Solch eine ungewöhnliche Zusammensetzung ist für den Schweizer Politikbetrieb eher selten. Zentral geht es den Initiatoren darum, Stahl Gerlafingen von den Netznutzungsgebühren zu entlasten. Wie die NZZ Mitte November berichtete, entrichtete das Unternehmen für dieses Jahr Gebühren von mehr als 17 Millionen Franken (etwas über 18 Millionen Euro). In den kommenden vier Jahren sollen diese nun verringert sowie eine Verpflichtung an Bund und Kantone verabschiedet werden, bei öffentlichen Bauausschreibungen »grünen Stahl« zu verwenden – wie er in Gerlafingen hergestellt wird.

Für die Beschäftigten des Unternehmens ist das ein erster Erfolg. Es sei der Druck der Stahlarbeiter gewesen, dass sich Bern nun mit dieser Frage beschäftige, schreibt die Gewerkschaft Unia in ihrer Pressemitteilung von Dienstag. Und die Finanzierung sei richtigerweise an Bedingungen geknüpft. Für die Gewerkschaft zählt darunter eine Standortgarantie, »was auch Massenentlassungen eines substantiellen Teils der Belegschaft natürlich ausschließt«. Weiterhin fordert sie »nachhaltige Investitionen, Transparenz« sowie den Verzicht von Dividendenausschüttungen.

Jetzt müsse nur noch der Ständerat zustimmen. Bereits am kommenden Donnerstag trifft sich dessen Kommission, um den Antrag zu beraten; am kommenden Montag soll dann bereits die Entscheidung fallen. Sollte der Ständerat nachziehen, wären »die Voraussetzungen für ein nachhaltiges Weiterbestehen der Schweizer Stahlindustrie« geschaffen, schlussfolgert Unia. Die Kritik an der staatlichen Hilfe seitens der SVP, die trotz Christian Imark mehrheitlich gegen den Antrag stimmte, verhallte dabei. Denn gerade Abweichler von den Rechtsnationalen als auch der FDP verhalfen dem Antrag, dem Grüne und SP geschlossen, die »Mitte« mehrheitlich zustimmten, zum Erfolg.

Auch die Gemeinde Gerlafingen atmet auf. »Ich bin erleichtert, dass der Nationalrat den Ernst der Lage erkannt hat«, so Gemeindepräsident Philipp Heri (SP) am Montag gegenüber der Aargauer Zeitung. Eine letzte Frage bleibt jedoch im Raum: Werden die Unternehmen die befristete Hilfe des Staates annehmen? »Stand heute ist keine gesicherte Aussage dazu möglich«, stellt Bundesrat Albert Rösti (SVP) fest. Der Kampf der Stahlarbeiter und der Gewerkschaft ist also noch nicht vorbei. Sollte sich das Kapital gegen die Forderungen stellen und die Vernichtung der Arbeitsplätze vorantreiben, steht der nächste Arbeitskampf bevor. Denn die Hauptforderung der Unia ist deutlich: »Massenentlassungen müssen jetzt vom Tisch!«

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