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Aus: Ausgabe vom 13.12.2024, Seite 10 / Feuilleton
Comic

Wenn das Unrecht nicht endet

Hannah Brinkmanns dokumentarischer Comic über den Holocaustüberlebenden und Kommunisten Ernst Grube
Von Marc Hieronimus
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Hölzerne Gesichter, lebendige Geschichte

Auf den ersten, trügerischen Blick ist »Zeit heilt keine Wunden. Das Leben des Ernst Grube« nur ein weiterer Comic aus dem mit Art Spiegelmans »Maus« populär gewordenen und heute so weit verbreiteten Genre der Holocaustliteratur: Nach literarischen Vorlagen und den Erlebnissen berühmter Menschen werden nun die Schicksale der kleinen Leute erzählt.

Tatsächlich ist Grubes Lebensgeschichte aber anders empörend, weil das von ihm erlittene Unrecht mit der Befreiung 1945 nicht endet. Ernst Grube ist 1932 als später so genannter Halbjude in München geboren. Die systematisch zunehmende Entrechtung und Enteignung in der Nazizeit überlebt die Familie durch etwas Glück und die Hartnäckigkeit des nichtjüdischen Vaters. Grubes Spielgefährten und alle Verwandten der Mutter werden in den Konzentrationslagern im Osten getötet, während er erst gegen Ende nach Theresienstadt deportiert und dort von der Sowjetarmee befreit wird.

Nach dem Krieg engagiert sich Grube bei der KPD und der FDJ, die beide verboten werden, und sammelt Unterschriften gegen die Wiederbewaffnung – auch das gilt als strafbar. Ende der Fünfziger wird er von einem Richter namens Kurt Weber, der im Faschismus Karriere gemacht hat, wegen seiner politischen Tätigkeit zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Danach engagiert er sich weiter als Antifaschist, Kriegs- und Atomwaffengegner.

Die Zeichnerin Hannah Brinkmann hat seine Lebensgeschichte aufgeschrieben und in einem Stil adaptiert, der nicht allen gefallen muss: Die Körper wirken steif, die Gesichter hölzern, die Symbolik der wenigen, etwas experimentelleren Vignetten ist nicht immer nachvollziehbar. Das macht das pädagogisch wie dokumentarisch gelungene Doppelszenario von Webers und Grubes Werdegang aber mehr als wett.

Hannah Brinkmann: Zeit heilt keine Wunden. Das Leben der Ernst Grube. Avant-Verlag, Berlin 2024, 272 Seiten, 30 Euro

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