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Aus: Ausgabe vom 14.12.2024, Seite 4 / Inland
Militarisierung

Drehscheibe und Marktplatz

Die Bundeswehr bekommt ein neues Führungskommando und Hannover eine neue Waffenmesse
Von Philip Tassev
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Bald auch auf der Messe Hannover: Kriegsgerät zum Anfassen (Berlin, 8.6.2024)

Eine »Bundeswehr der Zeitenwende« hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) im April angekündigt. Neben der Anschaffung von neuen Waffensystemen und verstärkten Rekrutierungsbemühungen wird dafür auch die Struktur der Armee reformiert. Ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur »Kriegstüchtigkeit« ist dabei die Einrichtung des Operativen Führungskommandos, in dem seit Freitag die Aufgaben des für Auslandseinsätze zuständigen Einsatzführungskommandos und des für das Inland verantwortlichen Territorialen Führungskommandos gebündelt werden. »Das gilt für den Hauptauftrag der Landes- und Bündnisverteidigung ebenso wie für die Amts- und Katastrophenhilfe, vom Frühjahr an auch für das internationale Krisenmanagement, bei militärischen Evakuierungsoperationen und bei Einsätzen der Spezialkräfte«, erklärte dazu der befehlshabende Generalleutnant Alexander Sollfrank am Freitag. Der Umbau der Streitkräfte soll bis April 2025 abgeschlossen sein. Die Bundeswehr zitiert Sollfrank auf der eigenen Webseite mit der Aussage, die Aufstellung des Kommandos sei »die logische Konsequenz aus dem Kernauftrag Landes- und Bündnisverteidigung«.

Eines der zentralen Aufgabenfelder des neuen Kommandos – neben der Operationsplanung und -führung – ist der sogenannte Host Nation Support, also die Organisation der Verlegung von Truppen der NATO-Verbündeten über das Gebiet der BRD an die »Ostflanke«. Denn: »Im Bündnisfall wird Deutschland nicht mehr Frontstaat sein wie im Kalten Krieg, sondern Drehscheibe für Truppen, Waffensysteme, Munition und Versorgungsgüter. Wenn Zehntausende Soldatinnen und Soldaten durch Deutschland und Europa verlegen, kann dies nur genau abgestimmt – in vorgegebenen Transportkorridoren – und mit unserer Unterstützung erfolgreich geschehen«, erklärte Sollfrank in einem Anfang November auf der Bundeswehr-Webseite veröffentlichten Interview.

Neben der Aufrüstung und Umstrukturierung der Armee wird zur Zeit auch die deutsche Rüstungsindustrie planmäßig aufgepäppelt. Die Bundesregierung hat in der kürzlich beschlossenen »Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustriestrategie« eine »kontinuierlich laufende Produktion von Rüstungsgütern« als Ziel ausgegeben, »um auch verzugslos auf ausreichende Produktionskapazitäten zurückgreifen zu können, Skaleneffekte zu erhöhen und Innovationen zu ermöglichen«. Um den heimischen Waffenschmieden bis zum Ausbruch des großen Krieges gegen Russland auch die Bewerbung und den Absatz ihrer »Produkte« zu ermöglichen (die eigene Armee reicht dafür offenbar nicht aus), holt man eine der größten Waffenschauen der Welt ins Land. Ab 2027 soll in Hannover der deutsche Ableger der Londoner Messe »Defence & Security Equipment International« (DSEI) stattfinden.

Künftig sollen dort »moderne militärische Ausrüstung, Rüstungsgüter, Technologien, Produkte, Prozesse und Materialien« präsentiert werden, »die für die Sicherstellung nationaler Wehrhaftigkeit, Bündnisfähigkeit und geopolitischer Sicherheit erforderlich sind«, wie die Deutsche Messe AG am Freitag mitteilte. »Die DSEI Germany bietet die einzigartige Gelegenheit, die heimische Industrie mit ihren Verbündeten und Partnern zu vereinen, um innovative Fähigkeiten und Konzepte eindrucksvoll zu präsentieren«, wird der DSEI-Manager Chris Gallon in der Mitteilung zitiert. Die Ausstellung, die ihren Ursprung in Waffenschauen der britischen Armee und Marine hat und alle zwei Jahre Tausende Waffenhändler und Zehntausende ihrer potentiellen Kunden aus Militär und Politik in die Londoner Docklands zieht, wird regelmäßig von Organisationen wie Campaign Against Arms Trade und Amnesty International kritisiert. Unter anderem wurden dort – neben Panzern, Schusswaffen, Flugzeugen, Drohnen und Kriegsschiffen – auch schon illegale Streumunition und Fußfesseln beworben.

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