»Mach dich vom Acker!«
Von Ralf WurzbacherWenn schon die halbe deutsche Industrie Leute in Massen entlässt, darf ein Staatskonzern nicht zurückstehen. Noch vor zwei Monaten hieß es, bei der Frachtsparte der Deutschen Bahn, DB Cargo, fielen 2.300 Arbeitsplätze weg. Dem fraglichen »Sanierungskonzept« hatten Betriebsräte und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) zähneknirschend zugestimmt. Aber warum so bescheiden? Plötzlich lautet die Ansage, bis 2029 gingen 5.000 Jobs verloren, mehr als doppelt so viele. Informiert hat darüber dieser Tage Cargo-Chefin Sigrid Nikutta in einer »persönlichen Mitteilung zum Beschäftigungswegfall«. Fast schon intim geriet ihre begleitende Videobotschaft, mit der sie den Überflüssigen durch die Blume Bescheid stieß: »Mach dich vom Acker!«
So hat sie das freilich nicht ausgedrückt, aber gemeint, findet man bei der EVG. Tatsächlich verwies die Managerin in ihrem Statement auf vermeintlich freie Stellen in anderen DB-Gesellschaften, bei »Regio, Fernverkehr oder Infra-Go«. Es falle ihr schwer, »das jetzt zu sagen, aber nutzen Sie das«. Die Gewerkschaft ist »wütend angesichts dieses würdelosen Umgangs«, wie man in einer Verlautbarung auf der EVG-Webseite liest. Damit »versucht der Vorstand euch in dieser schwierigen Zeit weichzukochen und einzuschüchtern«. Verwiesen wird auf »chaotische Zustände« bei Betriebsversammlungen. Führungskräfte teilten Betroffenen mit, »dass ihre Stelle nach Sozialplan wegfällt«. Anschließend machten sie »einen Rückzieher und kurze Zeit später die Rolle rückwärts«.
DB Cargo schreibt seit Jahren tiefrote Zahlen. Allein im ersten Halbjahr 2024 schlug ein Minus von 261 Millionen Euro ins Kontor, obwohl man das Defizit im Gesamtjahr auf 60 Millionen Euro drücken wollte. Noch fataler ist eine Vorgabe der EU-Kommission, wonach die Gütersparte bis Ende 2026 mindestens eine »schwarze Null« abliefern muss. Bisher hatte die Konzernholding den Laden stets durch Verlustübernahme am Leben gehalten. Damit ist zu Jahresanfang 2025 Schluss und die Pleite quasi programmiert, woran auch Nikuttas »Transformationsprogramm« mit Jobkahlschlag und der Aufspaltung in fünf getrennte Geschäftseinheiten nichts ändern dürfte. Das alles mag die Einbußen kurzfristig schmälern, wozu auch Preiserhöhungen und das Kappen unrentabler Fahrten beitragen könnten. In nur zwei Jahren profitabel macht das die DB Cargo sicher nicht – aber immerhin hübscher für Investoren.
Dass es bei der »Sanierung« in Wahrheit um etwas anderes geht, vermutet man bei der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Die aktuellen Vorgänge seien »mutmaßlich der Anfang einer völligen Zerschlagung«, äußerte sich die GDL am Mittwoch per Pressestatement. Es bestehe die Gefahr, dass DB Cargo »durch die Hintertür abgewickelt und so dem Zugriff der EU-Kommission entzogen werden soll«. Zum Hintergrund: Gelänge es nicht, die Gesellschaft wie gewünscht in die Rentabilität zu führen, will die EU dem DB-Konzern die zwischen 2012 und 2021 geleisteten Quersubventionen von 1,9 Milliarden Euro in Rechnung stellen, während sie im umgekehrten Fall unter »zulässige Umstrukturierungsbeihilfe« liefen. Außerdem wird Brüssel dann absehbar Maßnahmen ergreifen, die Gesellschaft aus dem Mutterkonzern herauszulösen. Auch in Frankreich musste sich die staatliche Eisenbahngesellschaft SNCF auf Druck Brüssels von großen Teilen ihrer Güterbahnen trennen.
Dem könnte die DB zuvorkommen wollen, indem sie die Veräußerung selbst in die Hand nimmt. »Die derzeit bekannten ersten Schritte des Managements sehen eher nach Teilverkauf als nach einer nachhaltigen Sanierung aus«, befand der GDL-Bundesvorsitzende Mario Reiß. So würden etwa Lokführer zum Jahreswechsel freigestellt, »obwohl an anderer Stelle bei DB Cargo und bei weiteren Unternehmen aufgrund von Personalmangel die Züge stehen bleiben müssen«. All dies widerspricht freilich auch der von der Bundesregierung beschworenen Verkehrswende. »Stellenabbau in diesem Bereich ist klimapolitischer Wahnwitz«, meint deshalb Carl Waßmuth vom Bündnis »Bahn für alle«. Gegenüber junge Welt betonte er am Freitag: »Die Bahn muss gemeinnützig werden! Dann kann uns auch die EU nicht mehr reinpfuschen.«
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