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Aus: Ausgabe vom 14.12.2024, Seite 11 / Feuilleton
Literatur

Hiergeblieben

Im Knatsch des PEN Berlin über Nahost rufen prominente Mitglieder zur Ordnung
Von Peter Merg
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Die Zeit der Erklärungen und Empörungen ist noch nicht vorbei beim PEN Berlin. Anfang der Woche hatten 25 teils namhafte Mitglieder demonstrativ ihren Austritt aus dem Schriftstellerverband verkündet. Grund war die knappe Nichtannahme eines Resolutionsentwurfes, der die Tötung von Autoren und Journalisten durch die israelischen Streitkräfte in Gaza und im Libanon deutlich verurteilt.

Nun haben 24 andere Mitglieder ein Statement verfasst, weshalb man die Sektion weiterhin unterstütze. In dem am Donnerstag publizierten Text heißt es, die öffentlichen Konflikte im Verband seien »ein direktes Abbild der gesellschaftlichen Zerrüttung«: »Aus Verzweiflung über den Zustand der Welt versinken vernünftige und kluge Menschen im ›Narzissmus der kleinen Differenzen‹ (Sigmund Freud)« und trügen den Nahostkonflikt »im Klein-Klein der Vereinsarbeit aus.« Die mit einer Mehrheit von 83:82 demokratisch angenommene Kompromissresolution sei manchen zu »propalästinensisch«, anderen zu »proisraelisch« – jeder gute Kompromiss tue beiden Seiten weh. In der Resolution waren, anders als in dem knapp unterlegenen Entwurf, auch getötete Israelis genannt worden. Es wurde festgehalten, dass es ohne den Angriff auf Israel vom 7. Oktober 2013 den jüngsten Nahostkrieg nicht gegeben hätte. In der Austrittserklärung, die 24 Unterzeichner um den Historiker Per Leo am Montag in der Frankfurter Rundschau veröffentlicht hatten, heißt es, die verabschiedete Resolution sei »windelweich«, weil sie »nicht Nein zu einer exzessiven Kriegführung sagen kann, ohne ein gequältes ›Aber die Hamas hat angefangen‹ hinterherzuschieben«. Parallel dazu hatten 25 Unterstützer eines bei der Abstimmung am Sonntag chancenlosen proisraelischen Entwurfes, darunter Liane Bednarz, Marko Martin und Ronya Othmann, eine Distanzierung von dem angenommenen Vorschlag veröffentlicht. Darin verwahrten sie sich dagegen, Bedauern über den Tod palästinensischer Autoren zu äußern, die den Angriff vom 7. Oktober verharmlost hätten.

»Die öffentlich ausgetragenen Wortgefechte und Meinungskriege« seien geeignet, dem Verein Schaden zuzufügen, heißt es nun in der »Wir bleiben« überschriebenen neuesten Erklärung. Es sei geboten, sich auf den Verbandszweck zu besinnen, als »Menschenrechtsorganisation zum Schutz verfolgter Kolleg:innen einerseits, als maximal offene Plattform für die vielen Debatten andererseits«. Man spreche dem Board das Vertrauen aus. Zu den Unterzeichnern zählen u. a. Daniel Cohn-Bendit, Nora Bossong, Svenja Flaßpöhler, Michel Friedman, Wladimir Kaminer, Daniel Kehlmann, Eva Menasse, Meron Mendel, Saba-Nur Cheema, Judith Schalansky, Jörg Sundermeier und Jan Wagner.

Vielleicht setzt sich auch in der 2022 mit hohen Ansprüchen formierten Abspaltung vom deutschen PEN-Zentrum so langsam die Einsicht durch, dass sich Weltkonflikte nicht mit Resolutionen lösen lassen.

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