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Fahrstühle

Von Helmut Höge
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Der Philosoph Hans Blumenberg hat einmal festgestellt, dass der Fahrstuhl noch vor den ersten Hochhäusern erfunden wurde. Das schien die Marxsche Lehre zu widerlegen, wonach Erfindungen immer dann gemacht werden, wenn die Produktivkräfte danach verlangen. So gesehen ist der Fahrstuhl quasi ein Antimarxist.

Im Berliner Buchladen »pro qm« fand 2006 eine Veranstaltung mit Andreas Bernard statt, der gerade eine kulturwissenschaftliche »Geschichte des Fahrstuhls« veröffentlicht hatte. Zuvor war bereits das üppig bebilderte Fahrstuhlbuch »Vertikal« (1994) von den Herausgebern Vittorio Magnago Lampugnani und Lutz Hartwig erschienen, sowie »Der Fahrstuhl. Die Geschichte der vertikalen Eroberung« (1984) von Jeannot Simmen und Uwe Drepper. Im Buch »Ängste. Verstehen und bewältigen« (1978) des Psychiaters Isaac Marks spielen Aufzüge ebenfalls eine Rolle. Erwähnenswert sind ferner die Zeitschriften Elevator World und Lift Report. Auch das von Carl Ferdinand Franzen und Theodor Englert herausgegebene Standardwerk »Der Aufzugbau« (1972) und das »The Vertical Transportation Handbook« (1983), herausgegeben von George R. Strakosch und Robert S. Caporale, sollte man für eine seriöse Recherche des Themas heranziehen.

1998 erschien ein Buch über »Fahrstühle in Berlin«. Der SWR zeigte einen Film über »Die Geschichte der Aufzüge im Land« – »im Ländle« müsste es genaugenommen heißen, denn »der Film erzählt die Geschichte vom unaufhaltsamen Aufstieg der Fahrstühle. (…) Die Geschichte dieser beispiellosen vertikalen Eroberung ist eng mit Baden-Württemberg verbunden: Für die Pfalzgau-Ausstellung im Jahre 1880 hat Werner von Siemens den ersten elektrischen Lift der Welt gebaut. Es gibt im Land herausragende und in alle Welt exportierende Aufzugsfirmen wie zum Beispiel Schindler aus Radolfzell, Lochbühler aus Mannheim, Thyssen (heute in Neuhausen auf den Fildern) und Haushahn aus Stuttgart.«

Die Russen haben den Kosmos erobert, die Amis den »Outer Space« und die Schwaben »die Vertikale«. Das ist aber grober Unfug: Fahrstühle (in Bergwerken beispielsweise) gab es schon über 1.000 Jahre, bevor der US-Amerikaner Elisha Graves Otis 1853 eine Sicherheitsfangvorrichtung erfand. Die Aufzüge wurden anfänglich noch mit Dampf betrieben.

Die von ihm gegründete Firma, der Fahrstuhlhersteller Otis, der u. a. den Eiffelturm-Fahrstuhl baute, musste vor einigen Jahren eine dicke Kartellamtsstrafe wegen Preisabsprache zahlen. Otis übernahm nach der »Wende« zwei DDR-Aufzugsbetriebe in Berlin-Mitte und -Pankow. Letzterer wurde jedoch bald abgewickelt. 2003 streikten die Otis-Mitarbeiter für gleichen Lohn in Ost und West. Im selben Jahr beschenkte sich die Firma selbst: »Der U-Bahnhof Seidelstraße zwischen JVA Tegel und A 111 kriegt einen neuen Namen. Otisstraße wird die Haltestelle der U 6 ab nächstem Wochenende heißen und zudem an der Otisstraße liegen. Selbstverständlich mit allem, was dazugehört. Neue Schilder, neue Pläne. Das hat sich der Aufzugbauer so gewünscht. Und weil er seit elf Jahren darum gebeten hat und nun auch brav für alle Kosten aufkommt, war politische Unterstützung schnell gefunden«, schrieb die Taz.

Man muss auch noch den Paternoster erwähnen. Die Hauptfigur von Günter Grass’ Roman »Ein weites Feld« (1995) heißt »Fonty« (nach Fontane) und ist Aktenbote bzw. Aushilfshausmeister im Reichsluftfahrtministerium, das dann zur Treuhandzentrale umfunktioniert wird. Fonty hat immer wieder mit dem dortigen Paternoster zu tun. Ihm kommen darin die besten Gedanken – nicht zuletzt zu seiner Kritik an der Abwicklung des Berliner Glühlampenwerks Narva.

Apropos: Auch die Fahrstühle (keine Paternoster) bei Narva, jetzt »Oberbaum City«, werden von den dortigen Hausmeistern selbst gewartet. Jedenfalls bekam ich einmal mit, wie Michael Müller, ehemals Narva-Betriebsratsvorsitzender und nun Hausmeister im Gebäude 4, einen Anruf entgegennahm: »Der Fahrstuhl geht nicht, was soll ich machen, Kollege?« wurde Müller gefragt. Er antwortete: »Wir haben hier alle neue Technik, aber guck mal nach der Sicherung, oben auf dem Fahrstuhl!«

Vor einigen Jahren sollten alle Berliner Paternoster aus Sicherheits- bzw. Versicherungsgründen abgestellt werden, was besonders um den im SFB-Gebäude schade gewesen wäre, aber anscheinend wurde aus der Sache nichts. Auch der Paternoster in der Akademie der Wissenschaften am Gendarmenmarkt war noch lange danach in Betrieb.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (16. Dezember 2024 um 22:51 Uhr)
    Wenn ein Fahrstuhl unaufhaltsam aufsteigt, wo kommt er dann (wann) an? Und: Hatten die alten Ägypter schon einen, einen hydraulischen Lift nämlich? Der olle Charly könnte doch recht haben: https://www.derstandard.de/story/3000000230355/wurde-aegyptens-aelteste-pyramide-mit-einem-hydraulischen-liftsystem-errichtet. Die Djoser-Pyramide war immerhin gut 60 Meter hoch und ist älter als die Cheops-Pyramide.

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