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Aus: Ausgabe vom 17.12.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Syrien

Imperialistische Ziele umgesetzt

Dschihadistenkoalition HTS will palästinensische Gruppen entwaffnen. Anführer Dscholani nimmt israelische Besatzung hin
Von Wiebke Diehl
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Hier weht schon die Fahne: Israelische Soldaten in Syrien am Montag

Mehr als zehn Millionen Euro will die israelische Regierung in die besetzten Golanhöhen investieren. Laut seinem Büro hat der Plan von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Verdopplung der dortigen Bevölkerung zum Ziel. Derzeit ist etwa die Hälfte der auf dem von Israel völkerrechtswidrig besetzten und annektierten syrischen Felsplateau lebenden 50.000 Menschen jüdischer Herkunft, der Rest sind Drusen und Alawiten.

Nach dem Sturz der Regierung Assad hat Israels Armee weiteres syrisches Territorium besetzt. Wie ein Korrespondent des libanesischen TV-Senders Al-Majadin am Wochenende berichtete, stehen die israelischen Streitkräfte nur noch 15 Kilometer von der Straße, die Beirut und Damaskus verbindet, entfernt. Tel Aviv, das die Miliz des neuen syrischen Machthabers Abu Mohammed Al-Dscholani seit spätestens 2013 mit Waffen, Gehältern, medizinischer Versorgung und militärischer Unterstützung aus der Luft unterstützt hat, nutzt deren Anwesenheit nun als Vorwand, sich syrisches Territorium anzueignen. Dscholani, der sich inzwischen als gemäßigt gibt und seinen bürgerlichen Namen Ahmed Al-Scharaa nutzt, hatte tagelang zu Israels Invasion geschwiegen. Am Wochenende sagte er dann erstmals, Israels Vorwand für seine seit einer Woche andauernden Luftangriffe, Waffen der syrischen Armee sollten nicht in die Hände von Dschihadisten fallen, sei »ungerechtfertigt«. Zugleich betonte er, man wolle sich nicht in neue Konflikte hineinziehen lassen. Zur israelischen Besetzung syrischer Gebiete schwieg er. Dass die HTS am Sonntag angekündigt hat, es solle zukünftig keine Wehrpflicht geben, spricht dafür, dass ihr ganz im Interesse Israels ein schwaches, nicht verteidigungsfähiges Syrien vor Augen schwebt.

Im April 2021 sagte der ehemalige US-Sondergesandte für Syrien, James Jeffrey, die HTS sei ein »Gewinn« für die Strategie seiner Regierung in Syrien – Dscholani sei die »am wenigsten schlechte Option für Idlib«. Schon im Jahr 2012 hatte der militärische Nachrichtendienst, die Defense Intelligence Agency (DIA), enthüllt, dass die USA und ihre regionalen Verbündeten die Gründung eines »salafistischen Fürstentums« in Ostsyrien und im Westirak unterstützten – genau wie der unter US-Besatzung entstandene »Islamische Staat« (IS) es zwei Jahre später errichten sollte. Die Förderung dschihadistischer Gruppen erfolgte, um Syrien zu zerstückeln und die Regierung Assad zu stürzen.

Dafür, dass die Dschihadisten in Syrien die geopolitischen Ziele ihrer Förderer umsetzen, spricht auch, dass laut der libanesischen Zeitung Al-Akhbar Ende vergangener Woche HTS-Beamte Vertreter der palästinensischen Organisationen Fatah, Volksfront zur Befreiung Palästinas und Saika sowie der Märtyrer-Ali-Aswad-Brigade des Islamischen Dschihad aufforderten, Waffen, Trainingslager und militärische Hauptquartiere im Land zu übergeben und ihre Milizen aufzulösen. Offenbar wollen die neuen Machthaber Syriens jegliche militärische Aktion gegen Israel verhindern.

Anders als die genannten palästinensischen Organisationen hat die Hamas dem »syrischen Volk« einen Tag nach der Machtübernahme durch die HTS-Miliz »zur Verwirklichung seiner Bestrebungen nach Freiheit und Gerechtigkeit« gratuliert. Teile der Hamas, deren Führung sich damals im syrischen Exil befand, hatten sich schon 2011 der bewaffneten Opposition angeschlossen. Die Führung verlegte ihr Exil damals nach Katar. Erst im Jahr 2022 war es zur offiziellen Aussöhnung mit der syrischen Regierung gekommen.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (17. Dezember 2024 um 10:33 Uhr)
    Was für ein Offenbarungseid des jämmerlichen »Werte«westens? Paktieren mit Kopfabschneidern und Terroristen, auf dessen Anführer nach wie vor ein Kopfgeld der Amis in Höhe von 10 Millionen Dollar angesetzt ist. Spielt alles keine Rolle, wenn es darum geht, globale Interessen durchzusetzen. In diesem Fall würde auch mit dem Teufel paktiert werden. Menschenrechte, wen juckst, Demokratie, scheißegal, völkerrechtswidriger Krieg und Bombardierung der Zivilbevölkerung durch die Zionisten, habt euch nicht so. Der Westen jubelt und die Redakteure der Systempresse machen sich bald nass. Man kann gar nicht so viel fressen …

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