Rares Gut Sozialbauten
Von Oliver RastEs klingt wie eine Erfolgsmeldung, eine frohe Botschaft aus der Berliner Bau- und Wohnungspolitik. Die Zahl der Baugenehmigungen für öffentlich geförderten sozialen Wohnraum ist 2024 gestiegen, mit knapp 5.100 bewilligten Anträgen auf einen Höchststand, verkündete Christian Gaebler (SPD) am Montag via dpa. Nach Jahren der Flaute – zum Vergleich: Im Vorjahr waren es 3.492, im Vorvorjahr nur 1.935. Nur, ist die Entwicklung auch eine Trendwende, wie der Stadtentwicklungs- und Bausenator frohlockt? Kaum.
Zunächst zum »schwarz-roten« Senat. Der hat sich die 5.000er-Marke bei Wohneinheiten als Jahresziel gesetzt. Das die nun geknackt worden sei, liege auch an wirtschaftlichen Rahmenbedingungen »und daran, dass mehr Leute aus der Wohnungswirtschaft die Förderung in Anspruch nehmen, die vorher gesagt hätten, wir wollen keine preisgebundenen Wohnungen haben«, so Gaebler weiter. Seit 2014 gilt in der Senatspolitik wieder: Private Bauherren werden staatlich gefördert, wenn sie Sozialwohnungen schaffen – mit bis zu 300.000 Euro pro Bleibe. Neugeschaffenen Wohnraum müssen sie dann zur Miete von 6,50 Euro bis 11,5 pro Quadratmeter anbieten. Der Senator meint, Berlin profitiere dadurch doppelt. Immobilienfirmen würden preislich gebundene Wohnungen bauen lassen, die später oft an landeseigene Wohnungsunternehmen (LWU) gingen.
Für Ulrike Hamann-Onnertz zeigt das vor allem eins: Die Fördersummen seien auskömmlich, sozialer Wohnungsbau lohne sich also, sagte die Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins am Montag jW. Kein Wunder, denn bei einer Nettokaltmiete von zehn Euro und mehr je Quadratmeter könnten sich das »nur noch Haushalte mit leicht überdurchschnittlichem Einkommen leisten.« Sofern sie denn überhaupt schlüsselfertig übergeben werden. Denn bewilligte Wohnungen sind noch keine gebauten. Hamann-Onnertz: »Bis dahin können einige Jahre ins Land gehen.« Zudem gleiche das erstmalige Einhalten der Zielmarke die deutliche Unterschreitung der vergangenen Jahre keineswegs aus. Der Beleg: Berlin hatte Ende 2023 noch 99.849 Sozialwohnungen, im Jahr davor 104.757. Seit dem Anschluss der DDR an die BRD sind Hunderttausende öffentlich finanzierte Behausungen verlorengegangen. Hinzu kommt: Die Mietpreisbindung läuft in Berlin nach 30 Jahren aus.
Kurzum, es fehle eine nachhaltige Entlastung für geringverdienende Wohnungssuchende, ergänzte Rainer Balcerowiak, Pressesprecher der Berliner Mietergemeinschaft, gleichentags auf jW-Nachfrage. Ferner habe selbst Senator Gaebler eingeräumt, dass die Finanzierung der bewilligten Wohneinheiten auf wackligen Beinen stehe. Das bedeutet? Berlin brauche »ein ambitioniertes Neubauprogramm für dauerhaft preis- und belegungsgebundene Wohnungen in unmittelbarer kommunaler Trägerschaft«. Und nicht zuletzt die Vergesellschaftung, bestenfalls entschädigungslose Enteignung von großen Immobilienhaien, wie Mieteraktivisten fordern. Im Sinne des Wohnens als Daseinsvorsorge. Damit kann Harald Laatsch (AfD) nichts anfangen. Gar nichts. Teure Illusionen von Enteignungsbefürwortern seien das, meinte der Fraktionssprecher für Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Mieten am Montag gegenüber jW. Und dabei sei der Schaden, »der durch den Angriff auf das Eigentum in einer sozialen Marktwirtschaft entsteht, noch gar nicht eingerechnet«.
Katalin Gennburg (Die Linke) kontert. Erst die kapitalistische Stadtverwertung habe zur akuten Bau-, Wohnungs- und Mietenkrise Berlins geführt, betonte die stadtentwicklungs- und baupolitische Sprecherin ihrer Abgeordnetenhausfraktion im jW-Gespräch. Was heißt das aber für den hiesigen sozialen Wohnungsbau? Dass etwa in der Innenstadt auf landeseigenen Grundstücken nur noch Sozialwohnungen gebaut werden sollten. »Zu einhundert Prozent.« Und dann klappt es vielleicht auch mal mit einer Erfolgsmeldung, mit einer echten.
Solidarität jetzt!
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.
In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.
Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!
Ähnliche:
- 07.11.2024
Wildwuchs auf dem Mietmarkt
- 14.10.2024
Im Namen des Herrn
- 10.09.2024
Junge ohne Bude
Regio:
Mehr aus: Inland
-
EU will Position auch im Weltraum stärken
vom 17.12.2024 -
»Es ist eine virtuelle Hetzjagd«
vom 17.12.2024 -
Mit der nötigen Reife
vom 17.12.2024 -
Tödliche BAMF-Bürokratie
vom 17.12.2024 -
BRD wird zur Pleitemeile
vom 17.12.2024 -
»Die Lobbyverbände bauen Lügengebäude auf«
vom 17.12.2024