Brennende Schulen
Von Jakob ReimannDas nächste Schulmassaker in Gaza: Am Sonntag abend haben israelische Kampfjets die Ahmed-bin-Abdul-Aziz-Schule in Khan Junis bombardiert und dabei mindestens 20 Menschen getötet, die dort Zuflucht gesucht hatten. Der Angriff auf die vom Palästinenser-Hilfswerk UNRWA betriebene Schule im Süden der Enklave sei »ohne jede Vorwarnung« erfolgt, berichtete Al-Dschasira-Korrespondent Tareq Abu Azzoum aus Gaza. »Zivilisten wurden angegriffen, als sie schliefen, darunter Frauen und Kinder«, so Abu Azzoum weiter. Das dreistöckige Gebäude diente Hunderten zwangsumgesiedelten Familien als Zufluchtsort. Viele weitere von ihnen wurden teils schwer verletzt, hieß es bei der palästinensischen Agentur WAFA. Im Internet verbreiteten sich Videos der in Flammen stehenden Schule.
Stunden zuvor verübten israelische Kräfte in Beit Hanun im nördlichen Gazastreifen einen weiteren Anschlag auf eine UNRWA-Schule und töteten mindestens 43 Menschen. Zunächst wurde das dichtbesiedelte Gebiet um die Khalil-Oweida-Schule mit Panzern und Militärfahrzeugen abgeriegelt und dann »die Schule mit schwerer Artillerie beschossen«, meldete Al-Dschasira. Eine vierköpfige Familie mit zwei Kindern kam dabei ums Leben, da das Klassenzimmer, in dem sie Schutz gesucht hatte, von israelischen Artilleriegranaten zerstört wurde. Im Anschluss stürmten israelische Soldaten das Schulgebäude und töteten und verletzten weitere Personen. Wer den Anschlag überlebte, wurde gezwungen, das Gebiet zu verlassen und zu einem militärischen Kontrollpunkt in der Salah-Al-Din-Straße zu gehen oder wurde verhaftet, berichtete WAFA.
In über einem Jahr Krieg ist die Bildungsinfrastruktur vom israelischen Militär systematisch zerstört worden. Alle 19 Universitäten der Enklave wurden zerstört, manche wie die Israa-Universität im Norden durch gezielte Sprengungen dem Erdboden gleichgemacht. Vor dem Krieg gab es in Gaza über 800 Schulen, 93 Prozent davon sind mittlerweile zerstört oder beschädigt. 85 Prozent der Schulgebäude benötigen »vollständigen Wiederaufbau oder eine umfassende Sanierung«, heißt es auch in einer Untersuchung des Global Education Cluster vom Sommer. Der Krieg zerstört die Zukunft sämtlicher Kinder in Gaza. 625.000 Schüler haben mittlerweile über ein Jahr Schulbildung versäumt. Kein einziges Kind in der abgeriegelten Enklave genießt eine reguläre Schulbildung.
Schulgebäude dienen daher keinen Unterrichtszwecken mehr, sondern die meisten noch nicht in Trümmern liegenden als Zufluchtsort für Binnenvertriebene. Rechte Kommentatoren und Politiker nahmen diesen Umstand wiederholt zum Anlass, um den im Völkerrecht verbrieften Schutzstatus einer Schule im Krieg offen zur Disposition zu stellen. »Ist ein Schulgebäude einer Schule, das seit 10 Monaten als Schule nicht genutzt wird, völkerrechtlich noch ein geschütztes Ziel« (sic!), fragte Volker Beck, ehemaliger Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen und Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, im August auf X. Zuvor hatten israelische Kampfjets mit drei Raketen die Al-Tabain-Schule in Gaza-Stadt zum Einsturz gebracht und dort über 80 Schutzsuchende getötet.
Eine jüngst von den UN verbreitete Studie über die psychologischen Auswirkungen des israelischen Krieges auf die Zivilbevölkerung in Gaza zeigt, dass 96 Prozent der befragten Kinder das Gefühl hätten, dass ihr Tod unmittelbar bevorstehen würde. Zudem hatten 49 Prozent der Kinder suizidale Gedanken und äußerten den Wunsch zu sterben. Viele litten unter Symptomen wie Angst, Schlafstörungen und sozialem Rückzug. Geschätzt 17.000 Kinder irren unbegleitet und getrennt von ihren Eltern durch die Trümmer in Gaza. Helen Pattinson, Geschäftsführerin von War Child UK, die an der Erhebung der Daten beteiligt war, nannte den Bericht »einen der erschreckendsten Einblicke in das psychische Wohlbefinden von Kindern weltweit«. Sie betonte, dass die Kinder in Gaza die Hauptlast des Krieges tragen. Sie leiden sowohl unter der Zerstörung der physischen Infrastruktur als auch unter den psychischen Narben, die die Brutalität des Krieges hinterlassen hat.
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