Leichter Abschied
Von Arnold SchölzelOlaf Scholz war ein Kriegskanzler mit Hemmungen. Er setzte das größte Aufrüstungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik in Gang, rühmte sich auch am Montag im Bundestag wieder, nach den USA am meisten Waffen in die Ukraine zu liefern. Ab 2028 kostet, so seine Ansage, allein die Bundeswehr pro Jahr 30 Milliarden Euro mehr. Mit neoliberalen Wahnvorstellungen – öffentlichen Dienst schrumpfen, Infrastruktur privatisieren, Bildung- und Gesundheitswesen kommerzialisieren – ist das auch von der dritt- oder viertgrößten Volkswirtschaft der Welt nicht zu bewältigen. Dieser Regierungschef hat die Kugel »Kriegstüchtigkeit« ins Rollen gebracht. Die Scharfmacherrhetorik von Baerbock, Habeck, Hofreiter, Kiesewetter, Roth oder Strack-Zimmermann ist die passende Begleitmusik. Das am Montag von Scholz wiederholte Nein zu »Taurus«-Lieferung und zur Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine hebt seinen »Wumms«- und »Bazooka«-Größenwahn in der Außen- und Sicherheitspolitik, die bedingungslose Gefolgschaft gegenüber den Biden-USA nicht auf.
Der kommende Kanzler, der voraussichtlich Friedrich Merz heißt, kann das im Handumdrehen ändern, muss es aber wegen Trump vermutlich nicht. Merz verzichtete in seiner Rede auf jede Andeutung zu Marschflugkörpern oder »Friedenstruppe«, Kriegskanzlerkandidat will im Wahlkampf keiner genannt werden. Die Weichen fürs »Wir wollen uns verteidigen können, damit wir uns nicht verteidigen müssen« (Merz) sind außerdem gestellt. Da soll lediglich jeder wieder seiner vaterländischen Pflicht nachkommen – Merz: »Wir alle müssen mehr arbeiten« – und das Gold, das er nicht hat, für Granateneisen geben. Der Dank geht wie 1914 oder vor 1933 vor allem an die SPD, die sich diesmal willig von Bündnis 90/Die Grünen treiben ließ. Von Scholz gab’s zum Abschied die Absurdität dazu: Tradition der Bundesrepublik sei »eine Außenpolitik, die das Völkerrecht achtet und verteidigt«. Es sei denn, in Jugoslawien, Afghanistan oder Westafrika schießt und bombt die Bundeswehr.
Die Sozialdemokraten haben geholfen, die sozialen und innenpolitischen Voraussetzungen für die endlosen US-Kriege zu schaffen. Dazu gehört vor allem der sozialpolitische Sieg der herrschenden Klasse über Industriearbeiter und alle lohnabhängig Beschäftigten: Die Senkung der Reallöhne ist vollbracht, kein Aufstand, nirgends. In der Vergangenheit katapultierte das die Bundesrepublik zum »Exportweltmeister«, seit 2018 aber stagniert die deutsche Wirtschaftsleistung mit entsprechenden Folgen: Massenentlassungen, steigende Arbeitslosigkeit, Armut durch Mieten – gewöhnlicher Krisenkapitalismus. Scholz kommentierte das in seiner Abschiedsrede: »Das Leben muss bezahlbar bleiben.« Seine Demagogie beruht nicht auf Realitätsverlust, sie ist Konzept. Der Krisenkanzler wurde folgerichtig zum Kriegskanzler. Der Abschied fällt leicht.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (17. Dezember 2024 um 10:42 Uhr)Armes Deutschland: Die Regierung von Kanzler Scholz ist laut zahlreichen Umfragen zutiefst unbeliebt. Dennoch hat Scholz die Absicht, erneut als Kanzler zu kandidieren. Doch er ist nicht allein: Auch Wirtschaftsminister Habeck, dessen wirtschaftspolitische Bilanz eher Schäden als Fortschritte vorzuweisen hat, strebt nach dem höchsten Amt. Die Opposition präsentiert sich jedoch kaum überzeugender. Unionskanzlerkandidat Merz, der einst von der damaligen Polit-Anfängerin Angela Merkel ins Abseits gedrängt wurde, wirkt kaum wie eine ernsthafte Alternative. Armes Deutschland: Es bleibt schwer zu begreifen, warum ein Land mit 80 Millionen Einwohnern in einer angeblich demokratischen Ordnung keine besseren politischen Persönlichkeiten hervorbringen kann.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim E. aus Nördlingen (17. Dezember 2024 um 16:52 Uhr)Das Problem für die besseren politischen Persönlichkeiten ist, dass sie zu wenig korrumpierbar sind, um Karriere zu machen. Es wäre interessant, unter welchen Bedingungen bzw. mit welchen Angeboten Scholz, früher ein gut belesener Marxist, sich von seiner sozialistischen Grundüberzeugung abgewandt hat. War es vielleicht der diskrete Charme der Hamburger Finanzburgeoisie? Leider kandidiert Sahra Wagenknecht nicht.
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Märchentante des Tages: Clarissa Ward
vom 17.12.2024