Gegründet 1947 Freitag, 17. Januar 2025, Nr. 14
Die junge Welt wird von 3005 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 17.12.2024, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Streik im Gesundheitswesen

Arbeitszwang gegen Ärztekrise

Slowakei: Massenkündigungen gegen Privatisierung der Krankenhäuser. Regierung verhängt Arbeitspflicht
Von Dieter Reinisch
2021-11-25T000000Z_1145836591_RC2P1R9ZK930_RTRMADP_3_HEALTH-CORO

Der Slowakei könnten ab dem neuen Jahr die Ärzte abhanden kommen. Grund dafür ist ein Streit zwischen der Regierung und dem Ärzteverband LOZ um ein mit der Vorgängerregierung geschlossenes Abkommen. Die Regierung von Ministerpräsident Robert Fico hat es aufgehoben und will die staatlichen Krankenhäuser nun als Aktiengesellschaften privatisieren. Der LOZ pocht jedoch auf die Umsetzung der alten Vereinbarung, die eine Erhöhung der Ärzte- und Pflegegehälter und eine auskömmliche Finanzierung der Kliniken vorgesehen hatte.

Mit mehr als 3.300 Medizinern hat die Hälfte der slowakischen Krankenhausärzte daher ihre Kündigung eingereicht, die Ende Dezember wirksam wird. Sie wollen diesen Schritt nur zurücknehmen, falls die Regierung das Abkommen zur Gänze umsetzte. Um nicht vor einem Ärztenotstand im kommenden Jahr zu stehen, wurde am Freitag eine Gesetzesnovelle erlassen, die Ärzte in öffentlichen Krankenhäusern auch nach der Beendigung ihrer Dienstverträge zur Weiterarbeit verpflichtet. Sollten sie sich dem nicht beugen wollen, droht den Medizinern bis zu ein Jahr Haft.

Angesichts dieser Maßnahmen gingen die Ärzte am Montag noch einen Schritt weiter und erklärten, nun keine Nacht- und Wochenendschichten mehr zu übernehmen, berichtete die Nachrichtenagentur TASR. Wie LOZ in sozialen Netzwerken mitteilte, würde dies nach eigenen Angaben Hunderte von Ärzten betreffen, die in Krankenhäusern in den Städten Prešov, Bratislava, Banská Bystrica und Košice arbeiten.

So hätten 267 Ärzte des Fakultätskrankenhauses J. A. Reiman in Prešov schriftlich erklärt, mit sofortiger Wirkung keine Überstunden mehr zu leisten. Im Universitätskrankenhaus Bratislava gaben dies 281 und im Universitätskrankenhaus Louis Pasteur in Košice 340 Ärzte bekannt. Das in Bratislava ansässige Nationale Institut für Herz-Kreislauf-Erkrankungen registrierte 92 Verweigerungen der Arbeit in Nacht- und Wochenendschichten, im Fakultätskrankenhaus F. D. Roosevelt in Banská Bystrica wurden dem Ärzteverband zufolge 216 Weigerungen eingereicht.

Gesundheitsminister Kamil Šaško von der sozialdemokratischen Hlas-SD, der erst seit dem 10. Oktober im Amt ist, hatte für Montag nachmittag, nach jW-Redaktionsschluss, eine Sondersitzung der Berufsverbände und »Sozialpartner« einberufen. Von LOZ erhielt Šaško dafür Kritik: Die Gewerkschaft beharre darauf, ausschließlich und allein mit dem Ministerium verhandeln zu wollen. »Wir bestehen auf einem solchen Format, da es sonst nur ein weiteres unproduktives Treffen und eine Verschiebung der Einigung auf unbestimmte Zeit wäre, wodurch wertvolle Zeit verschwendet würde«, sagte LOZ-Chef Peter Visolajský gegenüber TASR.

Die Initiative des Ministers wertete der Verband als »Medienspektakel« ohne Chance, zu einer Einigung zu führen. In der gegenwärtigen Situation sei es »offensichtlich«: Je mehr Leute an der Diskussion teilnähmen, »die nichts mit dem Memorandum zwischen der Regierung und LOZ zu tun haben, desto unwahrscheinlicher ist es, dass ein Konsens erreicht wird«, erklärte Visolajský. Gleichzeitig forderte er den Minister auf, sich bewusst zu machen, welche Reaktionen seine Maßnahmen bei den Krankenhausärzten hervorrufen. Vorerst würden seine Schritte die Situation in den Krankenhäusern »nur eskalieren lassen«, so Visolajský.

Um einer Krise im Gesundheitswesen entgegenzuwirken, unterzeichnete Präsident Peter Pellegrini am Freitag ein Gesetz, um »die Verfügbarkeit verfassungsmäßiger Gesundheitsdienste sicherzustellen«. Ärzte, die aufgrund des Gehaltsstreits mit der Regierung gekündigt haben, müssten ihre Arbeit fortsetzen, hieß es aus dem Präsidentschaftspalast.

Für slowakische Patienten sei es lebenswichtig, die notwendige Versorgung zu erhalten, erklärte Pellegrini seinen Schritt und äußerte die Hoffnung, dass das Gesetz nie in Kraft treten müsse. Aufgrund anhaltender Meinungsverschiedenheiten gebe es hinsichtlich der Gesundheitssituation nach dem 1. Januar 2025 aber »Bedenken«.

Solidarität jetzt!

Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden und die Klage des Verlags 8. Mai abgewiesen. Die Bundesregierung darf die Tageszeitung junge Welt in ihren jährlichen Verfassungsschutzberichten erwähnen und beobachten. Nun muss eine höhere Instanz entscheiden.

In unseren Augen ist das Urteil eine Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit in der Bundesrepublik. Aber auch umgekehrt wird Bürgerinnen und Bürgern erschwert, sich aus verschiedenen Quellen frei zu informieren.

Genau das aber ist unser Ziel: Aufklärung mit gut gemachtem Journalismus. Sie können das unterstützen. Darum: junge Welt abonnieren für die Pressefreiheit!

Ähnliche:

  • Robert Fico feiert gemeinsam mit Parteifreunden in Bratislava se...
    28.08.2012

    Mehr Staat gefragt

    Robert Fico regiert seit April wieder die Slowakei. Er stoppt Privatisierungen und macht die Steuerpolitik gerechter. Reform der Krankenversicherung im Mittelpunkt
  • Symbol der Heilbäder Piestany: Kurbetrieb bald selbst am Stock?
    02.03.2010

    Preiswert war gestern

    In slowakischen Heilbädern bleiben die Gäste aus. Dem wichtigen Wirtschaftszweig brachte die Einführung des Euro mehr Schaden als Nutzen

Regio:

Mehr aus: Kapital & Arbeit

Alle redaktionellen Beiträge zur RLK25 sind nun hier verfügbar