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Aus: Ausgabe vom 17.12.2024, Seite 10 / Feuilleton
Electronica

Gute Geister

Eigensinnig sinnlich: Félicia Atkinsons Album »Space As An Instrument«
Von Christian Meyer
Wenn Eisberge plaudern: Félicia Atkinson macht sich Gedanken über die Natur
Es spukt in ihren Stücken: Félicia Atkinson

Der erste Track, »The Healing«, beginnt mit Pianoklängen und mit etwas, das klingt, als stapfte jemand durch Schnee. Ein schabendes Geräusch gesellt sich hinzu – und die Stimme von Félicia Atkinson. Dann hört man nur noch ihr Flüstern. Und Meeresrauschen. Heimelige Stimmung. Der Übergang zum zweiten Track ist nahtlos. Der Sound wird industrieller. Heizungskellerambient.

Die französische Elektroakustikerin Félicia Atkinson legt mit »Space As An Instrument« ihr zehntes Album vor. Es bewegt sich zwischen Ambient, Songwriting und experimentellen Soundcollagen. 2015 erschien ihr »A Readymade Ceremony«, damals bin ich regelrecht über die Musik gestolpert. Ich wollte sie unbedingt cool finden, aber das Album ließ mich eher irritiert zurück. Was war das? Ambient, Field Recordings, ein seltsames Hörspiel? Ein Jahr später stieß ich auf »Hand In Hand«. Das war alles immer noch rätselhaft und schwer einzuordnen, aber inzwischen konnte ich dem Sound einiges abgewinnen.

Vielschichtig und doch reduziert ist die aktuelle Arbeit. Synthesizer und allerlei Effekte, oft im Hintergrund, halten sie zusammen. Obwohl es sehr ruhige Musik ist, verlangt sie eine gewisse Lautstärke. So erst lassen sich die feinen Details wahrnehmen. Man fadet rein und raus, die Musik schwebt in den Hintergrund, im nächsten Moment fordert sie die ganze Aufmerksamkeit.

Das Albumcover von »Space As An Instrument« ziert ein Gemälde verschneiter Berggipfel. »Hand In Hand« war inspiriert von der Wüste, auf »Image Language« aus dem Jahr 2022 gibt es das elf Minuten lange Stück »The Lake Is Speaking«. Landschaften, Gedanken über die Natur. »Thinking Iceberg« auf dem neuen Album erstreckt sich über beinahe 13 Minuten. Das passt.

Über Field Recordings bezieht Atkinson die Umwelt immer wieder ganz direkt mit ein. Vielleicht stapft hier wirklich jemand durch den Schnee? Es ist ein Zusammenspiel von Klanglandschaften und konkreter Landschaft, Klängen und Geräuschen, die vertraut wirken und solchen, die überhaupt nicht zuzuordnen sind. Es spukt in den Stücken, gleichwohl haben sie mitunter eine beruhigende Wirkung.

Hochinteressant ist auch der Gebrauch ihrer Stimme. Spoken word, kein Gesang. Flüstern, eingesetzt wie ein Instrument. Man muss an ASMR denken, Autonomous Sensory Meridian Response. Entspanntes Kribbeln, das sich durch angenehme Geräusche wie flüsternde Frauenstimmen einstellt. Absolute Intimität, mitunter pornografisch ausgebeutet.

Atkinson hat mit ASMR nichts am Hut. Eher schon mit Literatur, mit Hörbüchern vielleicht. DIY-Ästhetik: Ihre Stimme nimmt sie mit Laptop oder Smartphone auf, störende Umweltgeräusche schirmt sie mit einer Decke ab. Sie nutzt schlicht die Möglichkeiten, die sich ihr bieten, muss kein kostspieliges Equipment fetischisieren. Allerdings hat sie auch keine Probleme damit, ein teures Studio samt Engineer zu nutzen.

Bezugspunkt ist die Musique Concrète von Luc Ferrari. Der Mitbegründer der Groupe de recherches musicales (GRM) integrierte Umweltgeräusche in seine Musik, Stimmen, Zikaden, Geräusche in der Umgebung eines Strandes.

Félicia Atkinson ist Musikerin, Künstlerin. Schrweiben tut sie auch. Mag sein, dass der Begriff längst versaut ist, aber ihr(e) Arbeiten als multimedial zu beschreiben, trifft es ganz gut. Gemeinsam mit ihrem Partner betreibt sie Shelter Press, Verlag und Label zugleich. Eben dort ist das so eigensinnige wie sinnliche Album »Space As An Instrument« erschienen. Wo sonst?

Félicia Atkinson: »Space As An Instrument« (Shelter Press)

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