Materie, leicht bekleidet
Von Erik RheaDass die Physik als exakte Wissenschaft gilt, verdankt sie nicht zuletzt jenem Teilgebiet, das man »Quantenoptik« nennt. In kaum einer anderen Disziplin wird derart präzise gemessen. Dabei ähnelt sich das experimentelle Verfahren grundsätzlich immer: Ein Stück Materie wird mit Licht angestrahlt, und man beobachtet dann das Licht, das von der Materie zurückkommt oder eben nicht zurückkommt. Das klingt simpel, wird aber sehr schnell sehr verwickelt. Im Schulunterricht veranschaulicht man das Setting häufig vermittels des Bohrschen Atommodells. Atome, also die Bausteine, aus denen Materie sich zusammensetzt, werden als ein Kern betrachtet, um den verschiedenartige »Elektronen« genannte Teilchen kreisen. Dabei gibt es eine Anzahl an genau definierten »Umlaufbahnen«, auf denen diese Elektronen sich bewegen können.
Trifft ein Lichtteilchen auf eines dieser Elektronen, kann es das Teilchen in eine höhere Umlaufbahn befördern. Das funktioniert aber nur, wenn das Lichtteilchen exakt die dazu nötige Energie hat, nicht weniger, aber auch nicht mehr. Ein Elektron, das sich auf einer höheren Umlaufbahn bewegt, wird, wenn es kann, irgendwann wieder auf eine niedrigere Bahn zurückfallen. Vollzieht sich das, sendet das Atom wiederum ein Lichtteilchen aus, das exakt die Energie besitzt, die nötig war, um das Elektron auf die höhere Bahn zu heben. Es wird also in dieser Situation dasselbe Lichtquantum ausgesendet, das zuvor absorbiert worden ist.
Das so beschriebene Modell kann der Veranschaulichung dienen. Allerdings ist Materie dann doch etwas komplexer, sie bedarf abstrakterer Modelle, um hinreichend erfasst zu werden: Die Heisenbergsche Unschärferelation hat uns gezwungen, die Vorstellung aufzugeben, dass Elementarteilchen, wie zum Beispiel Elektronen, einen klar definierten Ort haben, und auch die Umlaufbahn lässt sich nicht exakt bestimmen. Materie wird statt dessen als eine Welle von Aufenthaltswahrscheinlichkeiten der Teilchen gedacht, die in der berühmten Schrödinger-Gleichung beschrieben ist. Anstelle von Elektronenbahnen sprechen Physiker daher bevorzugt von Energiezuständen, in denen die Elektronen sich befinden. Ein Elektron kann sich in Zuständen höherer und niedrigerer Energie befinden und beim Übergang von einem Zustand in den anderen Licht aussenden bzw. absorbieren. Schließen sich mehrere Atome zu einem Molekül zusammen, werden diese Atome in die Lage versetzt, auf verschiedene Arten gegeneinander zu schwingen.
Nun können aber auch diese Schwingungen selbst solche Energiezustände haben und entsprechend mit optischen Methoden untersucht werden. Noch komplizierter wird es, wenn des weiteren Magnetfelder ins Spiel kommen, die teilweise dafür sorgen, dass manche dieser Zustände sich in mehrere Unterzustände aufspalten. Energiezustände sind also änderbar, wenn die beschreibende Gleichung der Materiewelle manipuliert wird, sei es durch äußere Faktoren (zum Beispiel ein äußeres Magnetfeld) oder dadurch, dass sie selbst komplexer wird (zum Beispiel, wenn ein ganzes Molekül beschrieben wird anstatt eines einzelnen Elektrons).
Unter bestimmten Umständen kommt es dazu, dass die Materiewelle ein System beschreibt, das auch sie umgebendes Licht mit einschließt. Diese Situation wird als »light dressed state« bezeichnet und tritt auf, wenn die Materie mit einem sehr energiereichen Laser beschossen wird. Einen solchen light dressed state konnte ein Team der Universität Freiburg nun bei Heliumatomen erzeugen (Publikation in Nature, Richter u. a.: »Strong-field quantum control in the extreme ultraviolet domain using pulse shaping«). Dazu war ein durchstimmbarer gepulster Freie-Elektronen-Laser notwendig. Ein Laser ist ein Lichtstrahl mit stark gebündeltem, einfarbigem Licht. Gewöhnlich lassen Laserstrahlen sich nur in sehr bestimmten Frequenzen (Farben) erzeugen. Mithilfe eines Teilchenbeschleunigers lässt sich jedoch auch ein Freie-Elektronen-Laser konstruieren, der den Vorteil hat, dass die Frequenz des Lasers in einem gewissen Bereich kontinuierlich einstellbar ist, eine Eigenschaft, die sehr wertvoll sein kann bei optischen Experimenten. Das Laserlicht entsteht bei einem Freie-Elektronen-Laser dadurch, dass Elektronen zunächst auf eine hohe Geschwindigkeit beschleunigt und danach auf eine spezielle sinusförmige Bahn gelenkt werden. Auf diese Art wird sogenannte Synchrotronstrahlung erzeugt, die als Laserlicht fungiert. Die Eigenschaften des Lichtes hängen dann von der gewählten Bahn der Elektronen ab, die sich innerhalb eines Teilchenbeschleunigers sehr gut kontrollieren lässt. Da für den light dressed state eine extrem hohe Intensität des Lasers erforderlich ist, muss der Laser gepulst sein, denn das Aussenden von nur sehr kurze Zeit andauernden Laserpulsen ermöglicht wesentlich höhere Spitzenintensitäten, als es bei einem dauerhaft betriebenen Laserstrahl möglich wäre.
Freie-Elektronen-Laser sind allerdings kostspielig, es gibt daher weltweit nur wenige Anlagen, die zu dieser Funktion imstande sind. Die Freiburger konnten für das Heliumexperiment den Freie-Elektronen-Laser FERMI (Free Electron Laser Radiation for Multidisciplinary Investigations) im italienischen Triest nutzen, der Frequenzen erzeugen konnte, die bisher noch nie bei solchen Experimenten zur Verfügung standen. Die neu gewonnenen Erkenntnisse über die Quantenzustände des Heliums können auch helfen, andere Quantenzustände, wie sie zum Beispiel in der Chemie vorkommen, besser zu verstehen. Das könnte sogar dazu führen, dass eines Tages chemische Reaktionen auf atomarer Ebene steuerbar sind.
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