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Aus: Ausgabe vom 17.12.2024, Seite 15 / Natur & Wissenschaft
Evolution

Familienbande

Genetische Vermischung von Neandertalern und Homo sapiens früher, als bislang angenommen
Von Felix Bartels
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Vorfahren der Menschen (Historische Zeichnung, Berlin 1866)

Wer dem Neandertaler auf die Spur kommen will, muss mehr tun als bloß buddeln. Die Wahrheit über unseren frühen Verwandten findet sich nicht bloß unter der Erde, sie findet sich auch in uns. Denn früh schon, ziemlich bald, nachdem die ersten Vertreter der Homo sapiens aus Afrika nach Eurasien gekommen waren, vor rund 50.500 Jahren, gerieten sie mit den dort lebenden Neandertalern in Kontakt – sexuellen, genauer. Denn wie Forscher in den Fachmagazinen ­Science und Nature berichten, lässt sich vermittels Analysen der DNA heute lebender Menschen eine etwa 7.000 Jahre dauerende Periode genetischer Vermischung beider Gattungen nachweisen.

Genetisches Material von Neandertalern findet sich bis heute in unserem Erbgut. Ein Umstand, den Forscher sich zunutze machen können, wenn es darum geht, Dauer und Art der Koexistenz beider Gattungen in Europa näher zu bestimmen. Nun hat ein Team um Leonardo Iasi vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig die Genome von 275 heutigen Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt sowie von 59 frühen Homo sapiens analysiert, die vor 2.200 bis 45.000 Jahren gelebt haben. Die Wissenschaftler werteten die Länge und die Anzahl der Neandertalersegmente im Erbgut aus. Je kürzer die Kreuzung zurücklag, desto länger zusammenhängende Fragmente von Neandertaler-DNA fanden sich typischerweise im Erbgut.

So konnte man die Zeit der Vermischung genauer und zuverlässiger datieren als zuvor. »Wir fanden starke Belege für eine einzige ausgedehnte Periode des Neandertalergenflusses, die vor 50.500 bis 43.500 Jahren stattfand«, erläutern Iasi und sein Team. »Dieser Zeitraum stimmt gut mit den archäologischen Belegen für die zeitliche Überschneidung von Neandertalern und modernen Menschen in Europa überein.«

Wichtig sei die erarbeitete Präzisierung der Datierung auch deswegen, weil sie belege, dass der Homo sapiens vor mehr als 50.500 Jahren schon Regionen außerhalb Afrikas erschlossen hat. Zudem geben die Ergebnisse Aufschluss darüber, welche Genvarianten sich durchsetzen konnten und welche nicht. Demnach enthalten manche Regionen unseres Genoms besonders viele Neandertalerabschnitte: solche unter anderem, die unser Immunsystem, unsere Hautfarbe und unseren Stoffwechsel beeinflussen und wahrscheinlich die Anpassung an das rauere Klima Europas erleichtert haben.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Enrico M. aus Uckerland (21. Dezember 2024 um 13:53 Uhr)
    Eine taxonomische Anmerkung. Nach Felix Bartel resultierte der sexuelle Kontakt zwischen »Neandertaler« und »Homo sapiens« in einer »Vermischung beider Gattungen«. Das ist taxonomisch unzutreffend. Denn sowohl der »Homo sapiens« wie der »Neandertaler« gehören zur selben Gattung (Homo). Die korrekte Bezeichnung der beiden lautet Homo sapiens und Homo neanderthalensis. Die »Vermischung« erfolgte somit zwischen zwei Arten. Aber. Es könnte sich auch um eine Vermischung zwischen einer Art (Spezies) und einer Unterart gehandelt haben. Der Existenz natürlich entstandener innerartlicher Taxa wurde Rechnung getragen durch Erweiterung der von Linné stammenden binären durch eine ternäre Nomenklatur der Unterarten (Subspezies bzw. Rassen). Demzufolge wurde der gelegentlich als Unterart des Homo sapiens betrachtete Neandertaler als Homo sapiens neanderthalensis bezeichnet. Innerartliche Ausprägungen sind Ausdruck des Polymorphismus der Populationen der Art. Allerdings sind taxonomisch eindeutige Abgrenzungen zwischen Art und in absteigender Rangfolge Unterart, Varietät, Form schwierig, der fließenden Grenzen wegen. Z. B. beim Aurorafalter werden Basenunterschiede von 1-2% für eine subspezifische Differenzierung erklärt, während Basenunterschiede von über 2% eigene Arten repräsentieren sollen archive.org/details/neue-entomologische-nachrichten-64-145-146/mode/2up. Theodosius Dobzhansky schrieb dazu: »An dieser Stelle mag daran erinnert sein, dass die Unmöglichkeit, eindeutige Grenzen zwischen Rassen und Arten zu ziehen, wohl der entscheidende Beweggrund war, durch den … Darwin davon überzeugt wurde(n), dass Arten keine unveränderlichen Einheiten sind, sondern dass eine Evolution stattfindet. Es ist also keineswegs paradox zu sagen, dass dann, wenn es jemandem gelänge, eine allgemein anwendbare, statistische Definition der Art aufzustellen, er damit die Gültigkeit der Evolutionstheorie ernsthaft in Frage stellen würde« (Die Entwicklung zum Menschen, Hamburg 1958, S. 191).

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