Terror aus Kiew
Von Reinhard LauterbachIn Moskau ist am frühen Dienstag morgen der Chef der russischen ABC-Abwehrtruppen, Generalleutnant Igor Kirillow, bei einem Anschlag getötet worden. Nach Schätzungen russischer Ermittler explodierte eine Ladung von etwa 300 Gramm TNT, als Kirillow gegen sechs Uhr Ortszeit seine Wohnung verließ, um zum Dienst gefahren zu werden. Auch sein Adjutant kam ums Leben. Die Sprengladung war offenbar an einem Elektroroller angebracht, der vor dem Hauseingang abgestellt war. Anstelle der Beleuchtung war den Ermittlungen zufolge eine Kamera montiert, über die die Täter feststellen konnten, wann Kirillow das Haus verließ. Gezündet wurde die Ladung vermutlich über ein Mobilfunksignal.
Wenige Stunden nach der Tat übernahm die Ukraine die Verantwortung für den Anschlag. Es habe sich um eine »Spezialoperation« des Geheimdienstes SBU gehandelt. Kirillow sei ein legitimes Ziel gewesen, weil er für den Einsatz von Chemiewaffen in der Ukraine verantwortlich gewesen sei. Erst am Montag war er in Abwesenheit von einem Kiewer Gericht wegen des Chemiewaffeneinsatzes »in mindestens 4.800 Fällen« angeklagt worden. Der Zweisternegeneral Kirillow ist der bisher ranghöchste russische Militär, der einem ukrainischen Anschlag zum Opfer fiel. Der Kiewer Präsidentenberater Michailo Podoljak bestritt – anders als der SBU – allerdings eine ukrainische Täterschaft und erklärte, sein Land kämpfe nicht mit terroristischen Mitteln. Der frühere russische Staatspräsident Dmitri Medwedew schrieb auf Telegram, die Täter würden der »unausweichlichen Vergeltung« nicht entgehen.
Kirillow war in der Ukraine auch deshalb verhasst, weil er das Thema angeblicher ukrainischer Versuche mit biologischen Waffen immer wieder aufgegriffen hatte. Beweise dafür war er bisher allerdings schuldig geblieben, so dass an dieser Stelle Aussage gegen Aussage steht. Ein Detail der letzten Waffenlieferung aus den USA lässt allerdings aufmerken: Sie umfasste nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums neben Munition verschiedener Kaliber und Fahrzeugen auch Schutzausrüstungen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (ABC-Waffen). Man kann es so verstehen: Die Ukraine hat erst am vergangenen Wochenende einen »neuartigen schweren Schlag« angedroht, der Russland schmerzen und bis Moskau zu spüren sein werde. Nun soll sie offenbar gegen genau das abgesichert werden, was seit dem Ersten Weltkrieg weitere Einsätze von Giftgas und Biowaffen in größerem Stil verhindert hat: das hohe Risiko, mit ihnen auch das eigene Personal zu gefährden.
Bei dem Stoff, dessen Einsatz Kirillow angeblich angeordnet haben soll, handelt es sich nach ukrainischer Darstellung um Chlorpikrin, eine bereits seit dem Ersten Weltkrieg bekannte Substanz. Sie ist nicht tödlich, reizt aber Augen und Atemwege und führt dazu, dass Betroffene den Orientierungssinn verlieren. Einige Quellen schreiben, es sei verwandt mit dem Tränengas, das die Polizei gegen Demonstranten einsetzt, ohne dafür Sanktionen befürchten zu müssen. Die hohe Zahl von 4.800 solcher Einsätze, die Kirillow vorgeworfen wurden, unterstellt, dass es durchschnittlich täglich mehr als vier solcher Gaseinsätze an den bisher 1.028 Kriegstagen gegeben hätte. In der laufenden Berichterstattung haben solche Vorfälle aber bisher keine oder nur eine Nebenrolle gespielt.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Rainer Erich K. aus Potsdam (18. Dezember 2024 um 07:23 Uhr)Der Geheimdienst der Ukraine ist für seinen Terror gegen Personen auf russischem Staatsgebiet berühmt und berüchtigt. Es ist nicht der erste Mordanschlag, den das Selenskyj-Regime zu verantworten hat. Es wird ganz sicher zu einer russischen Vergeltung kommen, denn Staatsterrorismus, wie ihn das Kiewer Regime betreibt, darf nicht ohne Antwort bleiben. Bezeichnend, wie der Mordanschlag in hiesigen Medien gefeiert wird. Die ausstehende Antwort wird dagegen eine Flut von Krokodilstränen in den Redaktionsstuben der kriegsertüchtigten Medien auslösen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Marc P. aus Cottbus (17. Dezember 2024 um 23:25 Uhr)Die Ukraine hat in diesem Jahr bereits mehrfach strategische Verteidigungsanlagen (Satellitenkommunikationszentren und strategische Radaranlagen) in Russland angegriffen und zerstört, die wenig bis gar keine Bedeutung für den Verlauf des Krieges in der Ukraine hatten, die aber Bestandteil des russischen Frühwarnsystems gegen Angriffe mit Langstreckenraketen und Angriffe aus dem Weltraum waren. Sofern es nicht das ukrainische Bemühen war, damit einen direkten militärischen Konflikt zwischen Russland und dem Westen zu provozieren, kann man diese Angriffe der Ukraine unter Verwendung der für die Ukraine so kostbaren ATACMS-Raketen sonst wohl nur als Gefälligkeit gegenüber ihren westlichen Verbündeten (die der Ukraine mit ihrer militärischen Aufklärung tatkräftig Schützenhilfe leisten) bewerten. Die Tötung des Chefs der russischen ABC-Abwehr ordnet sich in dieses Vorgehen ein. Die ukrainische Taktik, die Tötung Kirillows als Vergeltung für einen angeblich von ihm befohlenen Chemiewaffeneinsatz zu rechtfertigen, ist ein durchschaubarer Versuch der Verschleierung der tatsächlichen Gründe für dieses Attentat.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (17. Dezember 2024 um 21:33 Uhr)Das Attentat ist für Russland mehr als nur eine Blamage. Besonders problematisch erscheint die Tatsache, dass die Ukraine vermutlich nicht in der Lage gewesen wäre, diesen Anschlag allein durchzuführen. Meine Befürchtung ist, dass die US-Demokraten alles daransetzen könnten, eine Feindschaft zu schüren und internationales Chaos zu stiften. Dies hätte das Ziel, Donald Trump eine erfolgreiche Regierungsführung unmöglich zu machen. Eine brutale Reaktion Russlands ist zu erwarten. Traurigerweise werden die Bombenangriffe vermutlich auch diesmal nicht die eigentlichen Schuldigen treffen, sondern unschuldige Zivilisten. So zeigt sich erneut, dass der Krieg im 21. Jahrhundert kaum anders ist als die Kriege früherer Zeiten. Vielleicht ist es sogar so, dass die Mächtigen gezielt auf Chaos und Kriege setzen, um ihre eigenen Interessen durchzusetzen und Bevölkerungen zu dezimieren. Wer weiß? Anders lassen sich diese und ähnliche Entwicklungen kaum erklären.
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