Rosa-Luxemburg-Konferenz am 11.01.2025
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Aus: Ausgabe vom 18.12.2024, Seite 3 / Schwerpunkt
Unblock Cuba!

Rosa Luxemburg auf Kuba

Transportschwierigkeiten und Stromsperren: Klinik für Kinder mit Behinderungen leidet unter den Folgen der US-Blockade
Von Annuschka Eckhardt und David Maiwald, Cárdenas
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Tierische Unterstützung: Eselin Rocío war bei den Kindern besonders beliebt

Kreischen, knatschen, kichern: Schrille Babyschreie übertönen helle Kinderstimmen im rosa Kolonialbau. Im Wartesaal der Kinderklinik für neurologische Entwicklung »Rosa Luxenburgo« weint ein Mädchen mit braunen Locken besonders laut – schon kommt ein kleiner Mann mit Brille angerannt, schnappt sich das Baby und wirbelt es herum. Das Kind verstummt verblüfft und schaut Jorge Rodríguez Fernández junior mit großen Augen an. Der Geruch von Pferdemist und Diesel weht zum Fenster herein: In der kubanischen Kleinstadt Cárdenas in der Provinz Matanzas sind Kutschen das Hauptverkehrsmittel. Die meisten Bewohner arbeiten im nahegelegenen Touristenhotspot Varadero, wo sich Fünfsternehotels an Luxusresorts reihen oder in US-Dollar oder Euro gezahlt wird.

Jorge juniors Vater, der Klinikleiter, tritt aus dem Behandlungszimmer. Er verabschiedet einen Jungen im Vorschulalter mit Handschlag, murmelt der jungen Mutter etwas zu und zeigt auf den Raum der Logopädin. Die interdisziplinäre Kinderklinik vereint Physiotherapie, Logopädie, Psychotherapie, Ergotherapie, Zahnmedizin und weitere Bereiche unter einem Dach.

Rodríguez Fernández senior, der während des Kriegs in Angola als Kinderarzt praktizierte, erzählt, wie persönlich die Geschichte der Klinikgründung für ihn ist. »Ich habe zwei gesunde Töchter, mein jüngstes Kind kam mit Behinderungen auf die Welt«, er zeigt auf den 38jährigen Jorge junior, der enthusiastisch die wartenden Eltern im Saal koordiniert. »Mit seiner Geburt begann ich, mich intensiv mit den verschiedenen Therapiemöglichkeiten für Kinder mit Beeinträchtigungen auseinanderzusetzen und zu forschen.«

Wichtig sei eine ganzheitliche Behandlung über Jahre, das Ziel nicht die »Normalisierung der Menschen, sondern eine Eingliederung in Schule, Sportvereine, Ausbildungen und später in die Arbeitswelt und ins Familienleben«. Rodríguez Fernández senior erinnert sich an Tausende Patienten. Stolz zeigt er Fotos seiner ehemaligen Schützlinge mit Universitätszeugnissen, Sportmedaillen oder Babys im Arm. »Die Erfolge unserer Arbeit werden erst nach Jahren sichtbar, langsam verbessern sich Feinmotorik oder Sprachfähigkeiten – bei Kindern auf dem autistischen Spektrum das Sozialverhalten –, manchmal machen sie regelrechte Entwicklungssprünge«, so der 75jährige im Arztkittel. Das Ziel und Ideal der Klinik sei, durch eine liebevolle Entwicklung zu einem mit Wissen befähigten und daher unabhängigen Menschen wachsen zu können.

Das Baby im kurzen Strampler jammert kläglich, während es auf einem blauen Gymnastikball hin- und hergeschwenkt wird – so macht das keinen Spaß! Der Physiotherapeut streicht ihm sanft übers linke Bein, dann übers Rechte und drückt einen Punkt am Füßchen. Der Vater des Kindes sitzt ohne Schuhe auf den bunten, weichen Matten neben dem Gummiball und schaut aufmerksam zu. Für den Erfolg bei der Behandlung der Kinder sei auch die multidisziplinäre Aufstellung der Klinik verantwortlich, erklärt Vladimir Pérez Pino.

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Im alten Schulgebäude, das heute die Klinik beherbergt, wurden früher Klinikleiter Rodriguéz Fernandéz und vor ihm schon seine Mutter unterrichtet

Doch machten die Stromausfälle eine stetige Therapie bei vielen Kleinkindern unmöglich, wenn dadurch etwa Sitzungen zur Nervenstimulation durch elektrische Reize unterbrochen werden müssten. Dabei ist die kontinuierliche Arbeit an körperlich-motorischen Störungen der Kinder entscheidend für den Erfolg. »Das ist wie im Fitnessstudio – einmal die Woche ein bisschen trainieren reicht nicht aus«, lacht Pérez Pino. Die Eltern seien gefragt, die Übungen auch zu Hause täglich fortzusetzen.

Mit der Geburt seines Sohnes habe er bemerkt, dass eine integrierte Nervenklinik zur frühen Behandlung von Kindern in der Region Matanzas nicht existierte, erklärt Rodríguez Fernández senior. Im November 1992 startete das Projekt, das entscheidende Unterstützung der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) erhielt. Der damalige Vorsitzende Heinz Stehr war zur Grundsteinlegung im November des Jahres anwesend, fünf Arbeitsbrigaden aus Deutschland hätten die Renovierung der Ruine des alten Schulgebäudes »Escuela Llaca« im Jahr 2002 dann für jeweils fünf Wochen lang unterstützt, erinnert sich »Dr. Jorge«. »Am 18. September 2002 konnten wir das Zentrum dann eröffnen.« Das Gebäude war ihm bekannt: Auf die Schule für arme Kinder seien er, und früher schon seine Mutter gegangen.

»Wo ist Rocío? Diese Eselin müsst ihr kennenlernen, sie ist einfach wundervoll«, sagt Rodríguez Fernández. Doch der Besuch auf der Finca »La Edad de Oro« unweit von Cárdenas beginnt am Folgetag mit einer traurigen Nachricht: »Sie ist am Samstag gestorben – sie war schon 32 Jahre alt«, erklärt Psychologin Amarilis González Reymont behutsam. Das Gelände ist auf allen Seiten umgeben von Kokospalmen.

»Die Ponys leben noch, aber das Krokodil ist abgehauen«, sagt González Reymont. Auf die verwunderten Blicke der Besucher erklärt sie, das Schuppentier sei nicht sehr groß gewesen, als es auf die Finca kam. Sie zeigt mit ihren Händen etwa die Länge eines Unterarms. Das weiße Pony Yuyu grast an einem langen Seil an den Zaun der Koppel gebunden. »Die Kinder haben es so getauft.« Hinter den buntgestrichenen Zaunlatten des Spielplatzes stutzen Gärtner das hüfthohe Gras mit Macheten. Das Therapieangebot des Fincaprojekts werde auch international angenommen, erklärt sie. Eltern mit autistischen Kindern reisten dafür aus vielen Ländern an. Für sie verfügt die Finca auch über eine Handvoll Gästezimmer.

Doch schon seit 2019 kann die Klinik die Finca nicht mehr für die Kinder im Ort anbieten. Seitdem der damalige und baldige US-Präsident Donald Trump Kuba zu einem »Terrorunterstützer« erklärte, hat sich die Situation und die Blockade verschlimmert. Die Klinik würde ein eigenes Auto benötigen, um den Transport der kleinen Patientinnen und Patienten zu leisten. Für einen entsprechenden Kleinbus laufe eine Spendenkampagne in der BRD. In Kuba ist das mittlerweile eine teure Angelegenheit, und nicht nur das: Landesweit könnten wichtige Tests durch die unsichere Stromversorgung nicht durchgeführt werden, erklärt Rodríguez Senior. Der Junior zupft ungeduldig am Arm seines Vaters – er möchte auch etwas sagen: »Die Blockade der USA erschwert einfach alles auf Kuba«, bricht es aus ihm heraus.

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