Gnadenfrist fürs D-Ticket
Von Ralf WurzbacherDas Deutschlandticket ist gerettet. Wieder einmal und wieder nur fürs erste. SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Union haben sich am Montag nach dem Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) auf eine finanzielle Absicherung des bundesweiten Nah- und Regionalverkehrstarifs zum kommenden Jahr verständigt. Wie es danach weitergeht, steht in den Sternen und ist eine Angelegenheit der künftigen Bundesregierung. Bei einer Koalition unter Führung der Union könnte das Angebot ein baldiges Ende finden. Deren jüngstes Zugeständnis an die Reste der Ampel dürfte vor allem wahltaktischer Natur sein. Das D-Ticket ist beliebt. Und wer es aus dem Verkehr zieht, macht sich unbeliebt. Nach dem Urnengang dürften dann absehbar »Sachzwänge« und nicht länger der Volkswille handlungsweisend sein.
Bis zuletzt sah es so aus, als würde der Kassenschlager den »leeren Kassen« geopfert. Mit dem Bruch der Regierung stand plötzlich eine fest vereinbarte Änderung des Regionalisierungsgesetzes zur Disposition, für die die FDP nach ihrem Rauswurf nicht mehr den Finger heben wollte. Mit der Novelle wären die Kosten wenigstens für 2025 gedeckt. Also suchten sich SPD und Grüne einen anderen Mehrheitsbeschaffer und fanden ihn schließlich doch noch bei der CDU/CSU-Fraktion. »Für 2025 sichern wir die Finanzierung des Deutschlandtickets«, erklärte am Montag deren Vizevorsitzender Ulrich Lange (CSU). Grünen-Politikerin Julia Verlinden sagte, auch im nächsten Jahr könnten die Menschen »günstig und unkompliziert mit Bus und Bahn« unterwegs sein.
Günstig? Tatsächlich wird das D-Ticket ab 1. Januar nicht länger 49 Euro monatlich kosten, sondern 58 Euro. Das hatten die Landesverkehrsminister schon im September verabredet. Was da noch fehlte, war die finale Zusage des Bundes, die Einnahmeausfälle der Verkehrsbranche auch weiterhin hälftig mit 1,5 Milliarden Euro auszugleichen. Die gibt es nun. Noch in dieser Woche soll der Bundestag das nötige Regelwerk beschließen, am Freitag wird absehbar auch der Bundesrat grünes Licht geben. »Es ist gut, dass die Finanzierung für ein weiteres Jahr steht«, befand am Dienstag Heiner Monheim, Sprecher bei »Bürgerbahn – Denkfabrik für die Schiene«. Es gebe »kein Zurück in die alte Kleinstaaterei der Verbünde und Tarifstrukturen«, sagte er zu junge Welt. Es brauche aber eine Erweiterung durch Einbeziehung des Fernverkehrs und Sonderreglungen für Familien sowie Sozialhilfe- und Bürgergeldempfänger nach Vorbild Österreichs oder der Schweiz.
Das ist die optimistische Sicht der Dinge. Pessimistisch stimmt dagegen das Vorgehen der Union, sich für die Zukunft alle Optionen offenzuhalten. »Rot-Grün« hatte einen gemeinsamen Vorschlag für weitergehende Regelungen zum D-Ticket vorgelegt – mit einer Finanzierungsgarantie bis 2030 und der Möglichkeit zum kostenlosen Mitnehmen von Kindern bis 16 Jahren. Überdies gibt es bei den Grünen Überlegungen, das Angebot um touristische Sonderverkehre, etwa Busse zum Strand, durch Naturparks oder Fährfahrten, zu erweitern. Aber nicht mit Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU). Vielmehr hat der unlängst bekräftigt, dass er »schwierige Verhandlungen« zur Finanzierung des Tickets über 2025 hinaus erwarte.
Statt »D-Ticket plus« könnte mit ihm als möglichem Bundeskanzler die Marschroute demnächst durchaus lauten: »D-Ticket weg«. Für das CDU/ CSU-Wahlprogramm gilt das schon jetzt. Dort taucht das Wort Deutschlandticket gar nicht auf. Beim Bündnis »Bahn für alle« ist man besorgt. »Die SPD will das Ticket dauerhaft anbieten, die Grünen wollen es sogar weiterhin für 49 Euro. Warum nicht gleich so?«, fragte Verbandssprecher Carl Waßmuth im jW-Gespräch, und, »ob sie das auch in einer Koalition durchsetzen?« Bei der CDU heiße es aber bloß, man wolle eine auskömmliche Finanzierung des ÖPNV sichern. »Das lässt nichts Gutes erahnen.« Monheim von »Bürgerbahn« sieht das D-Ticket »nicht als grundsätzlich gefährdet« an. Es abschaffen zu wollen, das würde einen »riesigen Aufstand« provozieren. »Das wird sich auch ein Herr Merz nicht leisten.«
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