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Aus: Ausgabe vom 18.12.2024, Seite 14 / Feuilleton

Rotlicht: Definition

Von Felix Bartels
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Philosophin definiert den Strand

To define is to limit, heißt es im »Dorian Gray«. Was ein Tadel sein soll, die Sache aber so ziemlich trifft. Die Etymologie wird ihrem Namen hier mal gerecht.

Etymologie der Etymologie. Das griechische »etymos« bedeutet »wahr«, obwohl der Begriff bloß die sprachliche Herkunft eines Begriffs meint – die kann treffen oder nicht, Sprachbildung findet in einem krausen Haufen von Zufällen statt. Beim Begriff der Definition fallen Inhalt und Wortursprung zusammen. Das lateinische »definitio« bedeutet »Abgrenzung«, es übersetzt das Griechische »horos«, was »Grenze« bedeutet. Im Deutschen sagt man »Bestimmung«, auch hier wird etwas festgesetzt. Bloß was?

Definition der Definition. Nach Aristoteles besteht die Bestimmung eines Begriffs aus zwei Teilen, einer Gattung und einer spezifischen Differenz, einer Grundklasse also und einer Teilklasse der Grundklasse. Man definiert zum Beispiel einen Lohnarbeiter als einen im Produktionsprozess tätigen Menschen, der seine Arbeitskraft verkauft. Seine Gattung liegt darin, dass er im Produktionsprozess tätig ist, die spezifische Differenz grenzt ihn von anderen im Produktionsprozess tätigen Menschen ab, Kapitalisten etwa. Erst im Zusammenspiel können Gattung und Differenz eine Definition bilden. Die Gattung macht den Boden, auf dem der Begriff steht, allein wäre sie zu weit gefasst. Der zu bildende Begriff fiele mit der Gattung, auf deren Grund er gebildet wird, zusammen. Ein Arbeiter hat eine Stellung im Produktionsprozess, doch Vertreter anderer Klassen haben das auch. Die Bestimmung wäre so nicht hinreichend.

Die Differenz dagegen leistet das Hinreichende, doch ihr fehlt das Notwendige. Allein bliebe sie negative Setzung. Zu sagen, was eine Sache nicht ist, zeugt einen leeren Begriff. Man kann einen Arbeiter nicht dadurch definieren, dass er kein Kapitalist ist, es braucht den eigentümlichen, aus sich selbst heraus verständlichen Inhalt. Wo eine Gattung gar mehr als zwei Differenzgruppen hat, wäre die rein negative Bestimmung nicht bloß lediglich furchtlos, sie ginge dann auch logisch nicht mehr auf, würde mehrdeutig. Aus der fruchtlosen Kontradiktion werden konträre Gegensätze, ein Beziehungsfeld also, in dem ein Drittes gegeben ist. Nicht-A-sein muss dann nicht automatisch B-sein heißen. Der Arbeiter ist kein Kapitalist, er ist aber auch kein freier Produzent, von dem ebenfalls gilt, dass er kein Kapitalist ist. Der Kapitalist kauft Arbeitskraft. Der Arbeiter verkauft seine Arbeitskraft. Der freie Produzent verkauft seine Arbeit. Hielte man es mit der bloß negativen Bildung, könnte man die Klassen ebenso gut als »Sonstige« bezeichnen.

Die spezifische Differenz leistet demnach zweierlei. Sie unterscheidet die zu definierenden Teilgruppen einer Gattung voneinander, und sie unterscheidet ferner die Teilgruppe von der Gattung. Und bei dieser Bestimmung muss ein eigentümlicher Inhalt hervorgebracht werden, der nicht redundant ist. Streng logisch spricht nichts gegen eine Tautologie, doch eine Sache mit sich selbst zu erklären, bleibt fruchtlos. Es wäre nicht falsch zu sagen, dass der Lohnarbeiter arbeitet, bloß – eine Definition wäre es nicht.

Sofern eine Definition ihre Funktion voll leistet, gehen die eigentlichen Schwierigkeiten aber erst los. Kein Ding ist tatsächlich für sich, seine eigentümliche Bestimmung muss autark klingen, so dass sie zur Not auch ohne Beziehung zu anderem bestehen könnte, sie kann aber nie ohne diese Beziehung bestehen. Jeder Begriff hat Valenz: die Fähigkeit, andere Begriffe hervorzurufen, mit denen er dann in Korrelationen tritt. Diese Korrelationen wiederum verändern ihn. Der Kapitalist definiert sich gegen den Arbeiter anders als gegen den freien Produzenten. Und gegen den noch mal anders als zum Beispiel gegen den feudalen Grundbesitzer. Folglich kann die Definition einer Sache erst dadurch vollständig werden, dass man die Sache mit ihrem eigentümlichen Inhalt als in einem Umfeld stehende beschreibt, ihr Allgemeines übergreifend macht und als Wechselbeziehung zwischen Gegensätzen fasst.

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