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Aus: Ausgabe vom 19.12.2024, Seite 2 / Inland
Austerität hinter Gittern

»Die Gefangenen sehen so keine Perspektive«

JVA in Berlin-Tegel: Haushaltskürzungen und Verschärfungen statt Hilfsangeboten. Ein Gespräch mit Marc M.
Interview: Annuschka Eckhardt
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JVA Tegel: Bei repressiven Maßnahmen kürzt der Senat nicht (Berlin, 19.8.2024)

Zum Jahresende hat der Berliner Senat vor allem mit drastischen Haushaltskürzungen von sich reden gemacht. Wie fällt Ihr Resümee als Gefangener in der JVA Tegel für 2024 aus?

2024 war ein turbulentes Jahr. Wie in allen Berliner Haftanstalten hat die von Justizsenatorin Badenberg vorangetriebene Repressionspolitik zu vielfältigen Eskalationen sowie zu einer Aktions- und Reaktionsspirale geführt. Beispielhaft seien hier nur die vielen Autobrände bei den Wagen der Schließer, aber auch die negativen Rekorde an extremem Drogenmissbrauch unter Gefangenen zu nennen. Während dringend benötigte Hilfsangebote für suchtkranke und psychisch belastete Gefangene gekürzt werden, investiert man statt dessen in Drogenspürhunde und Überwachung. Auch in diesem Jahr haben sich in der JVA Tegel wieder die meisten Selbsttötungen unter Gefangenen in Berlin zugetragen. Unter dem Vorwand eines »härteren Durchgreifens« verschärft sich die Lage in Berliner Justizvollzugsanstalten dramatisch.

Welche unterstützenden Maßnahmen fallen dem »Sparkurs« zum Opfer?

Externe Hilfsangebote für drogensüchtige Gefangene werden nicht mehr oder vollkommen unzureichend finanziert. Dasselbe gilt bei Hilfe zur Wohnungssuche, sozialen Gesprächsangeboten und Hilfe zur sogenannten Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Antigewalttrainings und externe psychologische Betreuung fallen weg, obwohl sie unerlässlich sind, um Rückfälle zu verhindern und Gefangenen einen Weg in das Leben außerhalb der JVA zu ermöglichen.

Was wird statt dessen ausgebaut? Wofür scheint Geld da zu sein?

In der eigenen Verwaltung und an Repressionsmaßnahmen verschiedener Art wird nicht gespart. Immer mehr Gefangenen wird der für die Haushaltskasse günstige offene Strafvollzug verwehrt. Der wird systematisch demontiert. Lockerungsmaßnahmen werden auf Anordnung der Senatorin verkompliziert und möglichst verhindert. Vom Gesetzgeber vorgesehene vorzeitige Haftentlassungen werden durch das systematische Verstellen der Voraussetzungen verhindert. Jeder weitere Tag in Haft kostet die Berliner Steuerzahler fast 200 Euro. Weitere Hundestaffeln und ständig neue Überwachungstechnik werden diese Summe noch vergrößern.

Welche Interessen der Justizsenatorin Felor Badenberg vermuten Sie dahinter?

Badenbergs Kurs ist eine politische Inszenierung. Durch den Aufbau eines Law-and-Order-Images scheint sie sich als mögliche künftige Innensenatorin oder gar für bundespolitische Aufgaben in Stellung zu bringen. Ihre Maßnahmen, vor allem aber ihre reißerischen Ankündigungen, ihre Neigung, sich ständig medial zu inszenieren, all das soll Aufmerksamkeit erzeugen. Und auch von den Problemen in ihrem Ressort, beispielsweise dem Totalversagen bei der Digitalisierung und der allgemeinen Dysfunktionalität der Senatsverwaltung für Justiz ablenken und den Anschein von Kontrolle und Entschlossenheit vermitteln. Doch zu welchem Preis?

Der Verzicht auf Prävention und sogenannte Wiedereingliederung verschärft nicht nur die Zustände in den Gefängnissen, sondern auch die Gefahr von Rückfällen nach der Entlassung. Ein Strafvollzug, der nur »verwahrt«, produziert am Ende mehr Gewalt. Dass unter Bürgermeister Kai Wegener, CDU, gerade die Kriminalität in der Hauptstadt nicht abnimmt, sondern auch und gerade im Gewaltbereich immer weiter steigt, belegen die Zahlen.

Wie gestaltet sich die medizinische Versorgung?

Dass die medizinische Versorgung in Gefängnissen traditionell von Willkür geprägt ist, sollte bekannt sein. Viele Gefangene bekommen nicht mal das Nötigste, während andere mit guten Sprach- und Rechtskenntnissen sich bei Ärzten und Pflegern behaupten können. Zwischenzeitlich hat die medizinische Verwaltung der Berliner Gefängnisse sogar die Ausgabe von Erkältungsmedikamenten eingestellt, nach großen Protesten ist das aber vorläufig wieder zurückgenommen worden.

Was machen diese düsteren Aussichten mit der Stimmung der Gefangenen in der JVA Tegel?

Die Gefangenen sehen so keine Perspektive, und insofern ist die Stimmung sehr schlecht. Die sich ständig zum negativen verändernden Realitäten fühlen sich wie eine Dystopie des einst moderneren Strafvollzugs an.

Marc M. (Name geändert) ist Gefangener in der Justizvollzugsanstalt Tegel

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