Wettlauf
Von Arnold SchölzelDie Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten ändert nicht den Weltlauf – der Westen ringt mit allen Mitteln um den Erhalt seiner globalen Dominanz –, bringt aber eventuell ein Ende des Ukraine-Krieges näher. Am Montag hatte Trump jedenfalls bekräftigt: »Wir müssen das Gemetzel beenden.« Die Entscheidung Joe Bidens, Kiew dürfe weitreichende US-Waffen auf russisches Territorium feuern, nannte Trump »sehr dumm« und fügte hinzu: »Ich denke, das hätte man nicht zulassen dürfen (…) und schon gar nicht wenige Wochen vor meinem Amtsantritt.« Der findet am 20. Januar 2025 statt und der zukünftige Präsident schloss nicht aus, Bidens Eskalation zurückzunehmen.
Das mobilisiert die Kriegsakteure, bis zum 20. Januar unumkehrbare Tatsachen zu schaffen. Russland treibt seinen Vormarsch in der Ostukraine voran, Kiew demonstriert mit dem Bekenntnis zum Mordanschlag auf den russischen General Igor Kirillow: Wir brauchen weder »Atacms« noch »Taurus«, um mitten in Moskau zuzuschlagen. Konsequenzen sind egal. Das entspricht dem Interesse der ukrainischen Führung, Russland derart zu provozieren, dass der Westen nicht mehr verdeckt, sondern offen mit eigenen Soldaten in den Krieg einsteigt. Der Kiewer Schwanz wackelt nicht zum ersten Mal mit dem Hund.
Das Attentat fand gut einen Monat vor dem 20. Januar statt. Dem Kontext nach galt es auch den Ankündigungen Trumps und war eine Drohung gegen ihn selbst. Ein unerwarteter Querschläger aber dürfte die Übereinstimmung sein, die sich zwischen Trump und Olaf Scholz ergab. Bei der Vorstellung des SPD-Wahlprogramms sagte der geschäftsführende Kanzler am Dienstag: Auch für ihn wäre es »eine falsche Entscheidung«, Waffen zu liefern, die weit in das russische Hinterland hineinreichen könnten. Und weiter: »Wenn ich das richtig sehe, wird sie ja auch zum Beispiel in der transatlantischen Zusammenarbeit in Zukunft ähnlich bewertet. So habe ich jedenfalls Präsident Trump in seinen jüngsten Interviews gelesen.« Der hat übrigens Selenskij nicht zur Amtseinführung eingeladen, wohl aber Chinas Xi Jinping.
Das ist schlecht für Kiew. Der Wettlauf um die beste Ausgangsposition für Krieg auch nach dem 20. Januar könnte beendet sein, bevor er begonnen hat. Noch kommt auf die 350 Milliarden US-Dollar, die der Westen bisher nach Kiew geschickt hat, dieser oder jener Batzen aus Washington und Brüssel obendrauf, aber zumindest im US-Repräsentantenhaus stehen die Zeichen bereits auf Stopp.
Am Mittwoch abend wollten sich in Brüssel die Chefs beziehungsweise deren Abgesandte von mehreren europäischen NATO-Staaten mit Selenskij treffen. Vorab herrschte Geheimniskrämerei, dabei war klar: Der einzige Tagesordnungspunkt heißt Trump. Den stört der Ukraine-Krieg, nicht Krieg überhaupt. Auf diesen Wettlauf werden sich die Transatlantiker einigen können. Das ist schlecht für die Welt.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (18. Dezember 2024 um 21:19 Uhr)Was will die USA, die selbst unter der Last ihrer enormen Staatsschulden ächzt, der Welt eigentlich noch beweisen? Von Beginn an war die Strategie des sogenannten Wertewestens wenig durchdacht: Russland mit Sanktionen in die Knie zwingen zu wollen, war ein Fehlschlag. Russland erwies sich militärisch stärker und wirtschaftlich widerstandsfähiger, als der Westen es je angenommen hätte. Besonders bitter für den Westen ist, dass der Krieg dazu geführt hat, dass Russland nun über ein kampferprobtes, neuorganisiertes Militär verfügt, das weltweit seinesgleichen sucht. Die Präsidentschaft von Donald Trump könnte bestenfalls dazu beitragen, Russland wieder in Europa einzubinden und es von China und den »Anti-West-Allianzen« zu trennen. Sollte dies nicht gelingen, dann steht den USA und dem Westen wahrlich eine düstere Zukunft bevor.
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