Pseudo-Feliks des Tages: Tilo Kummer
Von Nico PoppIn Thüringen sitzen neue Leute in den Ministersesseln, und die drängende Frage ist selbstverständlich: Gibt es Verbindungen zum Ministerium für Staatssicherheit der DDR? Das ist zwar seit 35 Jahren mausetot. Höchst lebendig aber sind weiter die Leute, für die »Stasi« ein Universalschlüssel zu allen offenen Fragen der deutschen Geschichte seit dem Täuferaufstand von Münster ist.
Die Resultate sind beachtlich. Einer kurzen Mitteilung des Bundestages etwa war im November zu entnehmen, dass sich in dieser Legislaturperiode 57 Parlamentarier eigeninitiativ einer Überprüfung »auf eine mögliche Tätigkeit oder politische Verantwortung für das Ministerium für Staatssicherheit« unterzogen haben. In elf Fällen sei keine Überprüfung vorgenommen worden, weil »die Betroffenen zum maßgeblichen Zeitpunkt minderjährig waren«. Es gibt also Bundestagsabgeordnete, die wissen wollten, ob sie als Halbwüchsige für die Staatssicherheit gearbeitet haben. Sicher ist sicher. Übrigens war auch in allen anderen Fällen eine Tätigkeit für das MfS »nicht festzustellen«.
Tilo Kummer, einst in der Linkspartei und nun beim BSW, war 1989 nicht mehr minderjährig, ist also verdächtig. Und mehr als das: Vom frischgebackenen Umweltminister in der Regierung Voigt ist lange bekannt, dass er einmal Unteroffizier auf Zeit im MfS-Wachregiment »Feliks Dzierzynski« war. Die von Springer-Blättern angeführte Kampagne gegen den »Stasi-Minister« war erwartbar. Kummers Kaderakte hatten sie umgehend zur Hand.
2017 wurde in Berlin der Soziologe Andrej Holm mit vergleichbaren Vorwürfen als Staatssekretär abgeschossen. Voigt scheint vorerst aber nicht mitzuspielen: Kummer sei »sechsmal überprüft« worden und solle »anhand seiner fachlichen Fähigkeiten« beurteilt werden, sagte er am Dienstag. Das geht natürlich nicht. Jede Wette, dass Kummer gerade so intensiv »überprüft« wird wie noch nie. Einen eisernen Feliks werden sie nicht entdecken.
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