Ausstand trotz Streikverbot
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Rund 1.500 Metallarbeiter in der Türkei haben sich einem Präsidialerlass widersetzt, der ihren Streik verboten hatte, wie die Zeitung Bianet am Montag berichtete. Die Streiks für höhere Löhne wurden demnach in Fabriken in Istanbul, Kocaeli und Manisa fortgesetzt.
Der von der Birleşik Metal-İş (Vereinigte Metallarbeitergewerkschaft) organisierte Arbeitskampf begann am 4. Dezember in den Hitachi-Werken Kartal, Tuzla, Dilovası und Dudullu. Am 13. Dezember wurde der Streik auf die Fabriken von GE Grid Solutions, Hitachi Electric, Schneider Electric und Arıtaş ausgeweitet. Etwa 2.000 Beschäftigte beteiligten sich an dem Streik.
Am gleichen Tag erließ Präsident Recep Tayyip Erdoğan ein Dekret, mit dem die Streiks um 60 Tage verschoben wurden, weil sie die »nationale Sicherheit stören« könnten. Dies war das achte Mal, dass Erdoğan von dieser Befugnis Gebrauch gemacht hat, seit die Türkei 2017 ihr Präsidialsystem eingeführt hat. Die Gewerkschaft bestreitet die Rechtmäßigkeit der Begründung der Regierung. In den betroffenen Betrieben werden ausschließlich Transformatoren für den Export hergestellt, die kein erkennbares Risiko für die innere Sicherheit darstellen.
Die Verhandlungen mit dem Unternehmerverband MESS waren gescheitert, nachdem die Unternehmensleitung eine 40-prozentige Lohnerhöhung angeboten hatte. Das Angebot hätte für die Beschäftigten weiterhin einen Verdienst unterhalb der Armutsgrenze bedeutet. Die Gewerkschaft fordert eine 125-prozentige Erhöhung, um die Reallohnverluste auszugleichen.
Nach Angaben des weltweiten Bunds der Industriegewerkschaften Industriall am Dienstag seien auch Polizeikräfte zu den Arbeitsplätzen gerufen worden, um die Beschäftigten von einem Arbeitskampf abzuschrecken. Außerdem würden den Streikenden Entlassungen angedroht, wenn sie nicht zur Arbeit zurückkehren.
In früheren Urteilen des türkischen Verfassungsgerichts wurde das Streikrecht als grundlegendes Arbeitsrecht bestätigt, erklärte Industriall in Berufung auf Birleşik Metal-İş. Es sei daher offensichtlich, »dass die Gesetzgebung missbraucht wird, um das Streikrecht in der Türkei zu untergraben«. (jW)
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vom 19.12.2024