Putin wirbt um Geduld
Von Reinhard LauterbachDer russische Präsident Wladimir Putin hat am Donnerstag seine jährliche »Bürgersprechstunde« mit gleichzeitiger Jahrespressekonferenz abgehalten. Aus der Bevölkerung waren nach Angaben der Veranstalter 2,3 Millionen Fragen gekommen; erstmals wurden sie mit Hilfe einer neuen russischen KI-Software vorsortiert und ausgewertet.
Putin zeichnete eingangs ein optimistisches Bild: Die Wirtschaft wachse um knapp vier Prozent, während sie im Westen stagniere. Der Preisanstieg sei zwar noch zu hoch, aber die Zentralbank strebe eine »weiche Landung« an. Auf Beschwerden, dass die Preise einzelner Lebensmittel stärker gestiegen seien als um die offiziell verkündeten neun Prozent, erwiderte Putin mit dem bekannten Ausweichargument, es handle sich bei seinen Zahlen um Durchschnittswerte. Er sprach auch von Nachfrageüberhängen, die zu einer Lohn-Preis-Spirale geführt hätten: Wenn sich der Fleischverbrauch seit Beginn des Ukraine-Kriegs auf 80 Kilogramm pro Person verdoppelt habe, dann sei die Produktion nicht entsprechend nachgekommen.
Zum Ukraine-Krieg vermied Putin in den ersten zwei Stunden seines Auftritts jede Festlegung, wann dieser zu Ende gehen könne oder solle. Er habe kein Interesse, die Rückeroberung etwa des ganzen Kursker Gebiets mit einer Terminvorgabe zu verbinden, weil dies das Leben zu vieler Soldaten kosten könnte. Es sei die Ukraine, die im Kursker Gebiet »ihre besten Sturmtruppen verheize«. Putin schlug wohl nicht ganz ernsthaft einen »technologischen Wettbewerb« vor: Der Westen möge mit Russland ein bestimmtes Ziel in Kiew vereinbaren, um das er dann seine gesamte Luftabwehr konzentrieren könne – und Russland werde mit einem weiteren Abschuss der neuen »Oreschnik«-Rakete zeigen, wer technologisch vorn sei.
Im übrigen erklärte sich Putin überrascht davon, dass zum Beispiel Soldaten, die im Kursker Gebiet kämpfen, aus formalen Gründen nicht in den Genuss der Sonderzahlungen für Teilnehmer an der »Militärischen Sonderoperation« in der Ukraine kämen. Wenn das so sei, dann müsse es geändert werden, versprach Putin. Das deutet darauf hin, dass Gerechtigkeitsfragen im Zusammenhang mit dem Krieg an russischen Küchentischen lebhafter diskutiert werden, als der Führung vielleicht lieb ist.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Brunhilde S. aus Mülheim an der Ruhr (20. Dezember 2024 um 02:15 Uhr)Fast 5 Stunden habe ich mir Putins Fragestunde angesehen. Aus diesem Grund kann ich Herrn Lauterbach nicht zustimmen. Anscheinend hat er was anderes gesehen. Zum einen gefällt mir die Bezeichnung »Bürgersprechstunde« ganz und gar nicht, weil die alljährlich stattfindende Fragestunde weitreichender ist als eine »Bürgersprechstunde« nach deutschen Vorstellungen. Das ist für den deutschen Durchschnittsbürger völlig irreführend. Denn es kamen nicht nur Bürger der Russischen Föderation zu Wort, sondern gleichfalls Menschen aus dem Publikum sowie in- und ausländische Journalisten. Ich bedaure sehr, dass ich die Artikel des Herrn Lauterbach nur sporadisch zur Kenntnis nehme. Vielleicht liegt es auch daran, dass mir die Lauterbachschen Artikel noch aus seiner Nicht-junge-Welt-Zeit in nicht guter Erinnerung sind. Als Genossin des Verlags 8. Mai werde ich auch zukünftig nichts auf die junge Welt kommen lassen, aber mir Lauterbachs Geschreibsel verkneifen.
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