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Aus: Ausgabe vom 20.12.2024, Seite 6 / Ausland
Österreich

Israel, Gasprom und die FPÖ

Jahresrückblick 2024. Heute: Österreich. Bewegende Themen neben Gaza- und Ukraine-Krieg vor allem Nationalratswahlen und der Aufstieg der Rechten
Von Dieter Reinisch, Wien
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Protest allein reicht nicht aus: Die FPÖ kann weiter bei Wahlen und in Umfragen triumphieren (Wien, 3.10.2024)

»Stoppt den Genozid!« riefen rund ein Dutzend propalästinensische Demonstranten von den Zuschauertribünen des österreichischen Parlaments, als am 15. Januar der Erklärung der Menschenrechte gedacht wurde. Sie wollten auf die gravierenden Menschenrechtsverletzungen Israels aufmerksam machen. Unter den Protestierenden war auch eine Vielzahl von antizionistischen Juden und Israelis der Gruppe »Not In Our Name«.

Der damalige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka von der konservativen ÖVP warf ihnen daraufhin einen offen zur Schau gestellten »Antisemitismus« vor, für den er sich schäme. Ein Sinnbild für die Politik des offiziellen Österreichs. Denn Sobotka ist Politiker der direkten Nachfolgerpartei der Vaterländischen Front des austrofaschistischen Diktators Engelbert Dollfuß, der südlich von Wien das erste Konzentrationslager auf österreichischem Boden errichten ließ. In den Kämpfen im Februar 1934 ließ dieser auf Arbeiter schießen – bis vor wenigen Jahren hing sein Porträt noch neben anderen Parteivorsitzenden in den Räumlichkeiten der ÖVP-Parlamentsfraktion. Ausgerechnet ein Vertreter dieser Partei wirft antizionistischen Juden Antisemitismus vor.

Ähnlich wie in Deutschland ist die unbedingte Solidarität mit dem Staat Israel so etwas wie Staatsräson, auch wenn dies in Österreich nicht so genannt wird. Bei vielen Abstimmungen in der UN-Vollversammlung stellte sich das Land auf die Seite Israels und weigerte sich, für die Verurteilung des Genozids in Gaza zu stimmen. Umso überraschender war es, dass Außenminister Alexander Schallenberg nach der Bekanntgabe des Haftbefehls gegen Benjamin Netanjahu durch den Internationalen Strafgerichtshof im November diesen zwar kritisierte, eine Sprecherin jedoch hinzufügte, man werde sich an den Entscheid halten und den israelischen Premier im Falle einer Einreise festnehmen.

Innenpolitisch wird die »Solidarität« mit Israel mit dem Kampf gegen den Antisemitismus begründet. Vor allem Sobotka tat sich hier hervor und organisierte mehrere Konferenzen. Im September lud er sogar den Präsidenten der israelischen Knesset, Amir Ohana, ins Parlament nach Wien ein. Im Widerspruch zu den Verlautbarungen der Politik zeigen Daten jedoch, dass besonders der antimuslimische Rassismus in Österreich stark zunimmt. Die Dokustelle Islamfeindlichkeit und antimuslimischer Rassismus sah für das Jahr 2023 einen drastischen Anstieg. Und laut der EU-Behörde FRA fühlen sich Muslime in keinem Land derart diskriminiert, wie in Österreich.

Das zweite Thema, das die österreichische Politik beschäftigte, war der Ukraine-Krieg und russische Gaslieferungen. Seit Mitte November erhält Österreich offiziell kein Gas mehr, das bis dahin von Gasprom über die Ukraine geliefert und vom Energieunternehmen OMV importiert wurde. Hintergrund ist ein Urteil der Internationalen Handelskammer. Diesem zufolge steht der OMV Schadenersatz von rund 230 Millionen Euro von Gasprom auf Grund von Lieferengpässen bei nicht durch Deutschland geleitetem Gas seit 2022 zu. Die Alpenrepublik hatte daraufhin verkündet, einseitig keine Rechnungen mehr zu begleichen, was Gasprom als Vertragsbruch ansieht. »Wir lassen uns von der Gasprom nicht erpressen«, begründete Bundeskanzler Karl Nehammer die Entscheidung. Mitte Dezember kündigte die OMV endgültig den sechs Jahrzehnte alten Gasvertrag mit Gasprom. Da russisches Gas bisher jedoch rund 80 bis 90 Prozent des österreichischen Bedarfs deckten, wird nach neuen Bezugsquellen gesucht: Zum Beispiel aus der Nordsee, Nordafrika, den Golfstaaten oder aber Frackinggas aus den USA.

Die Positionierung zu Russland und der NATO wird auch die kommende Regierung beschäftigen. Denn nach den herben Verlusten der Regierungsparteien bei den Nationalratswahlen am 29. September bleibt Konservativen und Sozialdemokraten nichts anderes übrig, als die ultraliberalen NATO-Freunde der Neos in eine Dreierkoalition zu nehmen. Ihre Jugendorganisation hat angegeben, sich mit über 90prozentiger Zustimmung für einen Eintritt in das transatlantische Militärbündnis einzusetzen.

Die Sozialdemokraten und ihr Parteichef, Andreas Babler, der eigentlich aus der Parteilinken und der Friedensbewegung kommt, schweigen. Nachdem er bei den Nationalratswahlen das schlechteste Parteiergebnis in der Geschichte eingefahren hatte, ist sein Platz an der Parteispitze ohnehin mit baldigem Ablaufdatum versehen. Die wahrscheinlich kommende Koalition, angeführt von den Wahlverlierern ÖVP und SPÖ, verbindet nicht viel mehr als der gemeinsame Wunsch, diesmal noch die rechtspopulistische FPÖ von den Trögen der Macht im Bund fernzuhalten. Auf Landesebene sind dagegen bereits gemeinsame Koalitionen mit der FPÖ, so in Steiermark und Vorarlberg, geschmiedet worden.

Die rechte Partei sitzt in fünf von neun Bundesländern in der Landesregierung und befindet sich weiterhin im Höhenflug. Bei den bundesweiten Wahlen wurde sie mit fast 29 Prozent stärkste Partei. Bei den Landtagswahlen in der Steiermark Ende November verdoppelte sie sich auf 35 Prozent. Und laut einer Umfrage der Paul-Lazarsfeld-Gesellschaft im Auftrag der Tageszeitung Österreich vom 12. Dezember liegt die FPÖ bundesweit bei 35 Prozent vor der ÖVP mit 21 Prozent und der SPÖ mit 19. Auch in Oberösterreich würde sie mit 31 Prozent bei möglichen Landtagswahlen den ersten Platz einnehmen, wie eine Umfrage der Oberösterreichischen Nachrichten vom 30. November zeigt. Das formell zweithöchste Amt in der Republik hat die FPÖ bereits inne: Walter Rosenkranz ist seit dem 24. Oktober Erster Nationalratspräsident. Er bezeichnet sich selbst als »national-freiheitlich« und ist Mitglied einer schlagenden, deutschnationalen Burschenschaft.

Auf die neue Regierung wartet viel Arbeit im kommenden Jahr: Österreich befindet sich in der längsten Rezession seit 1945, die Arbeitslosigkeit ist im November um zehn Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen und liegt bei über sieben Prozent und auch die Inflation hat im November wieder leicht angezogen. Dass sie nicht höher anstieg, lag an den sinkenden Treibstoffpreisen. Doch das Ende der russischen Öl- und Gaslieferungen wird die Preise in Österreich wohl erneut in die Höhe treiben. Auch ein weiterer Anstieg der Arbeitslosenzahlen wird erwartet. Keine guten Aussichten für die regierenden Parteien, denn 2025 stehen zwei wichtige Wahlen an.

Am 19. Januar wählt das Burgenland, vor allem für den SPÖ-Chef Andreas Babler ein entscheidender Wahlgang. Denn sein größter innerparteilicher Widersacher, Hans Peter Doskozil, kämpft dort um die Verteidigung der absoluten Mehrheit. Je nachdem, wie die Wahl ausgeht, wird dies auch Auswirkungen auf die Kräfteverhältnisse innerhalb der Partei haben. Neben einer Reihe von Gemeinderatswahlen in Niederösterreich, Vorarlberg und der Steiermark steht im kommenden Jahr außerdem die wichtige Landtagswahl in der Bundeshauptstadt Wien an – ein erster Stimmungstest für die neue Regierung. Außerdem bietet die Abstimmung eine Chance für die KPÖ. Sie wird versuchen, nach den guten Ergebnissen bei den vergangenen Bezirksvertretungswahlen in Wien diesmal auch in den Landtag einzuziehen. Ein von der FPÖ ausgerufenes Duell zwischen Sozialdemokraten und Rechten könnte dies aber zunichtemachen.

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