Hilferuferin des Tages: Salome Surabischwili
Von Reinhard Lauterbach
Die Älteren erinnern sich vielleicht noch an eine Gruppe von Kadern der ehemaligen Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei, die zur Abwehr der »Reformbemühungen« von Alexander Dubček die »brüderliche Hilfe« des Genossen Breschnew und weiterer damals sozialistischer Staaten erbaten. Die Bitte wurde erhört, und die Genossen Biľak und Co. waren damit entlarvt als Speichellecker Moskaus und was nicht alles. Geholfen hat es ihnen ja langfristig trotzdem nicht.
Wie auch immer, Vasiľ Biľak hat jetzt eine Nachfolgerin gefunden: die sich selbst noch im Amt wähnende georgische Expräsidentin Salome Surabischwili. Sie durfte in dieser Eigenschaft am Mittwoch vor dem EU-Parlament (EP) in Brüssel auftreten und erflehte »mehr Druck« von seiten der EU auf die georgische Regierungspartei. »Seien Sie eine geopolitische Union«, rief sie den Abgeordneten zu und packte sie am imperialistischen Portepee: »Wenn Sie nicht in der Lage sind, auf ein Land von 3,7 Millionen Einwohnern Einfluss zu nehmen, wie wollen Sie dann mit den Giganten des 21. Jahrhunderts konkurrieren?« Man stellt sich die leidenschaftliche georgische Frau vor, die ihrem zögerlichen Liebhaber zuruft: Beweise, dass du ein Mann bist! Schließlich sei Georgien die Eskalation wert, fuhr Surabischwili fort: Wer Tbilissi kontrolliere, kontrolliere den Kaukasus. Wenn Georgien unter russische Kontrolle falle, gefährde dies auch die Sicherheit am Schwarzen Meer, die Verbindung nach Zentralasien und das Schicksal Armeniens. Letzteres nun gerade nicht, denn das wird bedroht durch die Türkei und Aserbaidschan, nicht durch Russland.
Ob ihr Tanz vor dem EP so eindrucksvoll war wie der ihrer biblischen Namensvetterin vor dem König Herodes, der ihr zum Dank den Kopf von Johannes dem Täufer auf einem Tablett serviert haben soll, muss sich jetzt zeigen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Franz S. (23. Dezember 2024 um 14:01 Uhr)Lauterbach hat die Opportunistin Salome Surabischwili richtig eingeordnet. Allerdings ist der Vergleich mit Vasiľ Biľak abenteuerlich und politisch völlig falsch, wenn von »Reformbemühungen« von Alexander Dubček gesprochen wird. Kurt Gossweiler schreibt dazu 1994 in »Zu den Positionen der MLPD«: »Der so genannte ›Prager Frühling‹ war der Versuch tschechoslowakischer Revisionisten – Brüder im Geiste der Tito, Chruschtschow, Gomulka und Kadar –, das besser vorbereitet erfolgreich zu Ende zu führen, was im Herbst 1956 in Budapest gescheitert war. Der ›Stalinist‹ Novotny sollte gestürzt und danach mit Hilfe des nunmehr von den Revisionisten beherrschten Parteiapparates der Weg der ›friedlichen‹ Wiederherstellung der bürgerlichen Republik beschritten werden. Mit der willfährigen Galionsfigur Dubček als Erstem Sekretär war man bis August 1968 auf diesem Wege schon fast am Ziel angelangt, weil man dem Volk natürlich nicht sagte, wohin die Reise wirklich gehen sollte, sondern versprach, einen besseren Sozialismus, einen Sozialismus ›mit menschlichem Antlitz‹, zu installieren. Niemand anders als einer der Hauptdrahtzieher dieser konterrevolutionären Verschwörung, Ota Sik, hat jetzt – in der ›Welt‹ v. 5. November 1990 – offenbart, dass dies nur dazu diente, die wahren Absichten zu verschleiern: ›Wir, der Kern der ökonomischen Reformer‹, führte er aus, ›versuchten in Prag damals eben nicht den Kommunismus zu reformieren. Unser eigentliches Ziel war es, ihn abzuschaffen und ein neues System aufzubauen. Man hat zwar immerfort von der Reform hin zu einer sozialistischen Demokratie oder sozialistischen Marktwirtschaft sprechen müssen, weil man sonst überhaupt nicht an die Öffentlichkeit gelangt wäre.‹« Auch die politische Einschätzung von Vasiľ Biľak ist völlig daneben. Er gehörte zu den Politikern, die Gorbatschow schon früh durchschaut hatten. Die Bezeichnung »Speichellecker« für einen standhaften Kommunisten ist beleidigend.
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Leserbrief von Andreas Kubenka aus Berlin (20. Dezember 2024 um 17:51 Uhr)Vielleicht hätte der Artikelschreiber erwähnen sollen, dass Salome Surabischwili – biographisch gesehen – eventuell mehr Französin als Georgierin ist? Dies könnte erklären, warum sie die EU so eindringlich animieren will, dieses Land nicht dem russischen Bären und seinen (georgisch-patriotischen) Freunden zu überlassen.
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